"Die Wütenden – Les Misérables": Ein furioser Film über das ewige Elend vor Paris
Frankreichs Oscar-Kandidat blickt in die Hölle Banlieu.
Der Film "Die Wütenden" heißt in seinem Herkunftsland Frankreich schlicht "Les Misérables", ist aber keine neue werktreue Aufarbeitung des zeitlos kraftvollen Stoffes von Victor Hugo (1802–1885).
Der Kandidat für den Fremdsprachen-Oscar der "Grande Nation" ist viel mehr – die Bemächtigung eines literarischen Mythos, der in Frankreich im Sinne des sich erhebenden Volkes Identität stiftet, durch jene, deren Identität staatlich und kulturell an den Rand gedrängt wird. Die Arbeit von Regisseur Ladj Ly, 1978 in Mali geboren, ist eine grandios authentische, aber fiktive Milieustudie des prekären heutigen Alltags in jenem Vorort, in dem Hugo 1862 seinen berühmten Roman geschrieben hat: Montfermeil. Man schlüpft als Zuseher nicht hinein, man stolpert, fällt und lernt aus der Perspektive des neuen Beamten Ruiz (Damien Bonnard) eine Welt kennen, in der Polizei und lokale Autoritäten ein Spiel nach ganz eigenen Regeln spielen. Das Gesetz der Straße und die staatliche "Gewalt" – Ruiz mit seinen abgebrühten Kollegen Chris (Alexis Manenti) und Gwada (Djibril Zonga) – geraten an einem 35-Grad-Sommertag aneinander. Das Viertel, geprägt von Arbeitslosigkeit, Migration, Armut und Drogen, hat die Dummheit eines jungen Querschlägers in Aufruhr versetzt.
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, in der sich die Stimmung so oft dreht, wie das System zu kippen droht. Zwei Ängste peitschen die Männer an – vor Unruhen in den Banlieus wie 2005 und vor radikalem Islamismus. Ein raues, großes Werk, in dem miserable Zustände jeden in die Enge treiben. (nb)
"Die Wütenden – Les Misérables": 102 Min., Ladj Ly
OÖN Bewertung:
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