"Bardo": Ein cineastischer Egotrip
Bodenloser Film eines Oscar-Siegers.
Italo-Regiestar Federico Fellini (1920–1993) tat es in "Roma" (1972), Paolo Sorrentino (52) in "La Grande Bellezza" (2013) und Woody Allen (86) in "Midnight in Paris" (2011) – sie schickten Männer auf Streifzüge zwischen Traum und Wirklichkeit, während denen sie Lebensbilanz zogen. Nicht zufällig erinnern sie an ihre Regisseure.
Nun hat sich der mexikanische Regiestar Alejandro González Iñárritu (59, "The Revenant") entschieden, diesen ausgetrampelten Pfad zu beschreiten. In "Bardo" schickt er mit Silverio Gama (fantastisch vielseitig: Daniel Giménez Cacho) einen etablierten Journalisten und Dokumentarfilmer bei seiner Rückkehr nach Mexiko-City in ein Labyrinth zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Visuell kommt es daher, als würde statt Alice ein Vater, Ehemann und Medienprofi im Wunderland aufschlagen.
Silverio schiebt ein Baby in den Bauch seiner Frau zurück, es will doch nicht geboren werden. Er kratzt am Himmel, erklimmt Berge aus Menschen, erlebt Hochwasser im Zug. Die Bilder sind famose Gemälde, die Stimmung wie ein skurril-morbider Albtraum, der fasziniert, weil man ihn nicht hat, sondern allein beobachten darf. Doch überwiegt eine Frage: Muss das sein, wenn sich das Kino gerade darauf verständigt hat, zugunsten einer unterrepräsentierten bunten Welt von Egotrips abzusehen?
Zugutehalten muss man Iñárritu, dass er mit Silverio (also sich selbst) in all seiner Fehlbarkeit ins Gericht geht und an ihm das Schicksal von Milliarden aufzeigt – die migrantische Wurzellosigkeit (Mexiko und den USA). Dabei kann er auch Selbstironie. Der zu lange Film ist aber nicht nur im guten Sinne bodenlos und wird erst am Ende umfassend menschlich. (nb)
- "Bardo": MEX 2022, 159 Min., aktuell im Moviemento Linz, ab 16. 12. auf Netflix
OÖN Bewertung:
- Der Trailer zum Film: