„Taking Woodstock“: Laute Musik, freie Liebe und ganz spezielle Kräutermischungen
„Taking Woodstock“: USA 2009, Regie: Ang Lee, 110 Min. (Moviemento, Cineplexx)
OÖN Bewertung:
Jeden Sommer fährt der junge, schwule New Yorker Designer Elliot Teichberg (wunderbar gespielt von Demetri Martin) nach Hause in die verschlafene Kleinstadt Bethel in der Nähe von Woodstock. Dort betreiben seine Mutter, eine Furie ersten Ranges, und sein griesgrämiger Vater eine heruntergekommene, kurz vor dem Ruin stehende Pension.
Als Elliot in der Zeitung von der kurzfristigen Absage eines im Nachbarort geplanten Musikfestivals liest, hat er eine Idee. Warum nicht den ganzen Hippie-Rambazamba in seinen Heimatort verlegen, um das elterliche Geschäft ein bisschen anzukurbeln?
Gesagt, getan. Die Veranstalter sind rasch überzeugt, der benachbarte Rinderbauer stellte seine Weiden zur Verfügung. Doch als sich statt der erwarteten 5000 Besucher plötzlich 500.000 junge Menschen aus ganz Amerika aufmachen, um sich drei Tage lang lauter Musik, der freien Liebe und ganz speziellen Kräutern hinzugeben, droht die Sache katastrophal aus dem Ruder zu laufen.
Streben nach Selbstfindung
Regisseur Ang Lee wirft in „Taking Woodstock“, rechtzeitig zum 40. Geburtstag des gleichnamigen Freiluftfestivals, einen Blick hinter den Mythos. Wer dabei aber auf authentische Konzertaufnahmen hofft, wird enttäuscht. Die Musik ist lediglich das Vehikel, um eine Geschichte vom Streben nach Freiheit und Selbstfindung zu erzählen. Aus der sich stets unterordnenden Hauptfigur Elliot, der sich nicht getraut, seine Homosexualität offen auszuleben, wird durch das Zusammentreffen mit der Hippie-Bewegung ein selbstbewusster junger Mann.
Mit Split-Screen-Einstellungen und teils grobkörnigen Bildern beschwört der vor allem für seine ernsten Filme wie „Brokeback Mountain“ bekannt gewordene Filmemacher Ang Lee immer wieder augenzwinkernd die legendäre Woodstock-Dokumentation von Michael Wadleigh.
„Taking Woodstock“ ist nostalgisch, aber nicht verklärend. Stets leichtfüßig, aber nicht klamaukhaft. Vielmehr ist der Film ein 110 Minuten langer, perfekt ausgestatteter cineastischer Trip in eine Zeit, in der man für den Glauben an Menschenrechte, Toleranz und Verständnis für andere Kulturen noch nicht als „Gutmensch“ verspottet wurde.
Sommer der Liebe 1969
Für jene, die in den Sechzigern jung waren, bietet der Film die Möglichkeit, längst vergessene (oder bewusst verdrängte) Erinnerungen an den legendären „Sommer der Liebe“ 1969 aufzufrischen. Denn wie heißt es so schön: „Wer sich an die Sechziger erinnern kann, war wahrscheinlich nicht dabei.“