„Jud Süß – Film ohne Gewissen“: Jud Süß mit schalem Nachgeschmack
Auf NS-Propagandaminister Goebbels‘ Geheiß drehte Regisseur Veit Harlan 1940 seinen Film „Jud Süß“, mit dem Schauspieler Ferdinand Marian in der Hauptrolle. Die Entstehungsgeschichte des Machwerks nimmt Oskar Roehler zum Anlass, um die Gewissensfrage zu stellen.
„Jud Süß – Film ohne Gewissen“: (Ö, D 2010, 120 Min.), Regie: Oskar Roehler
OÖN Bewertung:
Auf NS-Propagandaminister Goebbels‘ Geheiß drehte Regisseur Veit Harlan 1940 seinen Film „Jud Süß“, mit dem Schauspieler Ferdinand Marian in der Hauptrolle. Die Entstehungsgeschichte des Machwerks nimmt Oskar Roehler zum Anlass, um die Gewissensfrage zu stellen. Wie er dies tut, darüber schieden sich auf der Berlinale Anfang des Jahres die Geister. In der Tat lässt einen „Jud Süß“ gespalten zurück, trotz Starbesetzung:
Tobias Moretti glänzt als Ferdinand Marian. Roehler zeigt ihn mehr als Marionette, die die Fäden, an denen sie hängt, nicht sehen, geschweige denn abschneiden kann. Als Charmeur, der verführt wird – von Goebbels wie sich selbst und sich verführen lässt, der zunächst ablehnt, dann von Goebbels vor vollendete Tatsachen gestellt wird, ohne sich zu wehren, und sich mit dem Selbstbetrug rettet, den Spieß umzudrehen, seinen „Jud Süß“ so sympathisch wie möglich zu spielen. Sich in die Opferrolle zu fügen, heißt in dem Fall, zum Täter zu werden. Moretti spielt diesen Traumtänzer Marian mit Bravour, mischt naiven Charme mit der inneren Gewissheit des Selbstbetrugs. Martina Gedeck überzeugt als hellsichtigere Anna Marian, der Roehler jüdische Wurzeln verleiht.
Eines der heiklen, da historisch verfälschten Details, mit denen Roehler aufwartet, wenngleich in einem Spielfilm, keiner Doku. Fast platt wird es jedoch, wenn auch noch der jüdische Gärtner, den die Familie versteckt, ins Spiel kommt. Und eben dieser gen Schluss als überlebender KZ-Insasse wiederkehrt, zum Urteilsspruch über Marian.
Moritz Bleibtreus theatralischer Goebbels gerät eher zur Karikatur. Edel in einer Nebenrolle: Gudrun Landgrebe.
Alles in allem wirkt „Jud Süß“ wie ein Stückwerk, in dem nichts wirklich zusammenpasst: die verwendeten Originalaufnahmen von 1940 nicht zum Spielfilm, die historischen Fakten nicht zur (historischen) Wahrheit – die menschliche entzieht sich für Nachgeborene ohnedies jedem Urteil.