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"Ich halte es für unmöglich, als Vater von Töchtern nicht Feminist zu werden“

Von Karin Schütze   10.Jänner 2020

Was Kinder einen Schauspieler lehren können, was sein Alleingang mit seinem 40er zu tun hat, wie ihn das Vatersein verändert hat und durch welche Gewässer er mit seinem "Goldfisch" schwimmen wird, erzählt Manuel Rubey im Gespräch.

Sie waren von 2004 bis 2006 im Linzer U-Hof engagiert. Was haben Sie aus Ihrer Linzer Zeit mitgenommen?

Manuel Rubey: Das war eine ganz wichtige Zeit. "The first cut is the deepest", wie man so schön sagt. Das war direkt nach der Schauspielschule, ich hab zum ersten Mal Geld für meinen Beruf bekommen, bin in ein richtiges Theaterengagement gegangen. Die Stadt habe ich wahnsinnig gern gehabt. Ich habe mit einem Kollegen zusammen in Alt-Urfahr gewohnt. Wir haben jeden Tag mit Blick auf die Donau gefrühstückt. Es war ein herrliches Jahr. Ich hab auch eine prägende Erinnerung ans Theater: Ich habe vor Kindern gespielt und dabei alles gelernt, was man für die Bühne braucht. Bei der allerersten Premiere – Daniela Dett hat ein magersüchtiges Mädchen gespielt und ich ihren Bruder – sitzt beim allerersten Auftritt ein etwas dicklicher Bub in der ersten Reihe und sagt zu mir: "Du bist schiach." Man lernt Demut, wenn man vor Kindern spielt, aber es macht viel Freude.

Haben Sie noch Kontakte zu den Kollegen von damals?

Mit allen lose immer wieder. Die Dani und ich werden vielleicht im Posthof etwas zusammen singen. Man begegnet Linz immer wieder, es ist ein bisschen ein Heimkommen. Ich finde auch, dass sich da jetzt ein Kreis schließt.

Die Premiere für "Goldfisch" am 9. Jänner im Wiener Stadtsaal war lange vorher ausverkauft. Welche Gefühle hat das in Ihnen, einem bekennenden Prokrastinierer (extremer Aufschieber), ausgelöst?

Wundervolle. Weil ich mir bei aller Prokrastinations-Liebe wirklich viel Zeit genommen habe. Ich habe zwei Jahre am Stück gearbeitet. Da kann man dazwischen auch einmal prokrastinieren. Wenn Menschen interessiert, was wir tun, ist das die allerschönste Auszeichnung. Etwas Besseres kann es nicht geben. Es ist viel schwerer, Menschen dazu zu bringen, ihr Haus zu verlassen, eine Eintrittskarte zu kaufen und einen Babysitter zu organisieren, als nur den Fernseher aufzudrehen. Insofern werde ich jedes Mal alles dafür tun, dass sie auch eine gute Zeit haben. Das ist der Deal.

Es ist Ihr erstes Soloprogramm, das eigentlich zu Ihrem 30er erscheinen hätte sollen. Hat Ihr 40er etwas mit Ihrem Alleingang zu tun?

Die Idee, sich solo rauszustellen, begleitet mich, seit ich in dem Beruf bin. Ein bekennender Prokrastinierer findet auch immer Gründe, warum es sich jetzt noch nicht ausgeht. Aber in diesem Beruf muss man sich auch den Dingen ein bisschen in die Hand geben. Vieles, was wunderbar war, habe ich nicht geplant gehabt. Zum Beispiel die Begegnung mit dem Herrn Stipsits (Kabarett-Partner Thomas Stipsits, Anm.) hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil wir acht wunderbare Jahre hatten. Ich hab damals gedacht, das werden höchstens zwei. Dann kriegt man zwei Kinder, dreht ein paar Filme. Mir war klar, wenn ich es zum 40er nicht mache, bin ich irgendwann ein alter, weißer Mann und sollte nicht mehr auf der Bühne stehen, sondern meine Schnauze halten. Insofern war es für mich ein gutes Ziel, dass ich den 41er noch nicht erreicht haben darf vor der Premiere.

Ihr Alleingang ist ja auch ein Thema in "Goldfisch". Ihr Bühnen-Ich wird von Frau, Kind und Hund verlassen.

Der Goldfisch ist der einzige, der noch da ist. Beim Kabarett ist die Abmachung, dass man von sich ausgeht. Es steckt sehr viel von mir drin. Das ist auch der Unterschied zu meinem sonstigen Beruf, dass man keine Rolle kriegt, sondern von sich ausgeht. Aber es ist natürlich eine Überhöhung, ein Spiel mit der Wahrheit. Dieses Bühnen-Ich heißt gleich wie ich, ist mir in vielen Punkten sehr ähnlich, aber nicht in allen.

Durch welche Themen-Gewässer schwimmt "Goldfisch"?

Ich habe ein bisschen über den Goldfisch recherchiert und gemerkt, das passt gut zu Themen, die mich auch so beschäftigen. Der Goldfisch steht für elf Sekunden Aufmerksamkeit. Der moderne Smart-Phone-Mensch kann sich auch nicht mehr lang konzentrieren. Ein weiteres Thema ist, was es heißt, ein guter Vater zu sein. Es geht auch um Sucht, Internetsucht, Instagram. Alles, was mich die vergangenen 20 Jahre beschäftigt hat, ist ein bissl drin.

Sie sind zweifacher Vater. Wie hat Sie das Vatersein verändert?

Das ist die stärkste Veränderung von allen gewesen, und die schönste. Alles, was mir vorher theoretisch wichtig war, hat durch die Kinder eine ganz andere Dringlichkeit bekommen. Wenn ich es von hinten aufzäume: Die Große ist Vegetariern, obwohl sie Fleisch liebt. Weil ihre Generation diese Wichtigkeit und Dringlichkeit erkannt hat. Ich merke zum ersten Mal: Mir war das theoretisch bewusst, aber jetzt muss ich mitziehen. Nicht ich zeige ihr etwas, sondern sie zeigt mir etwas. Das ist in vielen Fragen so, je nach Alter. Ich halte es für unmöglich, als Vater von Töchtern nicht Feminist zu werden. Man beschäftigt sich ganz anders damit, wenn man an die Zukunft der Kinder denkt und sieht, welche Riesen-Problemfelder es noch gibt, trotz aller MeToo-Bewegungen: das Wenigerverdienen, der Umgang mit Sexualität. Ich habe ein ureigenstes Anliegen, dass die Mädchen ein gleichberechtigtes Leben führen können, wenn sie erwachsene Frauen sind.

Ihre Töchter spielen mit im Film "Waren einmal Revoluzzer" über zwei Paare, die Flüchtlingshelfer werden. Ein Thema, das Sie privat umtreibt.

Genau. Ich habe beim Drehbuch mitgeschrieben. Deswegen sind auch die Kinder dabei, damit sie einmal kennenlernen, wie ein Film zustande kommt. Wir hatten die Idee vor der Flüchtlingskrise. Wir haben 2014 mit ersten Skizzen angefangen, aber lange keine Förderung bekommen. Es geht nicht um einen Flüchtling, sondern um einen russischen Aktivisten, der mit der ganzen Familie kommt und sich relativ breit macht. Da ist man mit seiner Hilfsbereitschaft schnell wieder am Ende. Es geht auch sehr um die Doppelmoral, die uns alle betrifft.

Haben Sie irgendeinen persönlichen Wunsch für das neue Jahr?

Dass wir alle wieder anfangen, ein bisschen aufeinander zuzugehen. Es geht nicht mehr darum, zu hören, was der andere sagt. Es ist ein Kampf um das schnellere, zynischere Argument. Das ist manchmal unterhaltsam, bringt uns als Gesellschaft aber keinen Schritt weiter.

Leben:  Manuel Rubey (40) aus Wien sang in der Band Mondscheiner (2002-09), gab „Falco – Verdammt, wir leben noch!“ (re.) im Kino (2007), spielte am Landestheater Linz (2004-06) und in zwei Kabaretts mit Thomas Stipsits, seit 2014 tourt er mit der Band „Familie Lässig“.

„Goldfisch“: Solo-Kabarett am
23. 1. in Aigen-Schlägl, KIKAS, 20 Uhr, Karten: 07281/62 97 40, office@kikas.at; 
24. 1.: Posthof Linz, 20 Uhr, Karten: 0732/78 18 00, www.posthof.at.

Familie Lässig: 27. 3., Posthof Linz, 20 Uhr

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20. April 2024