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"Ich habe gemerkt, dass ihre Liebe über Schmerz und Tod hinausging"

Von Nora Bruckmüller, 15. Jänner 2020, 00:04 Uhr
"Ich habe gemerkt, dass ihre Liebe über Schmerz und Tod hinausging"
Valerie Pachner und der Berliner August Diehl als Ehepaar Jägerstätter Bild: Filmladen

Valerie Pachner über ihre Rolle als Franz Jägerstätters Frau im Film "Ein verborgenes Leben".

Der 1907 in St. Radegund im Innviertel geborene Franz Jägerstätter weigerte sich, für Hitlers Wehrmacht zu kämpfen. NS-Ideologie und Christentum waren für den Bauern mit dem unerschütterlichen Glauben nicht vereinbar. 1943 lässt ihn das Regime hinrichten, 2007 wird er seliggesprochen.

Mit Terrence Malick hat einer der profiliertesten Arthaus-Regisseure Hollywoods seine Geschichte verfilmt, Premiere ist am Dienstag (mehr unten). Mit dabei ist die Bad Schallerbacherin Valerie Pachner (22). Sie spielt an der Seite von August Diehl als Franz Jägerstätter dessen Ehefrau Franziska.

OÖNachrichten: Sie wurden bereits vor vier Jahren für die Rolle der Franziska Jägerstätter besetzt. Wie lief das Casting für diese Produktion ab?

Valerie Pachner: Ich war damals noch am Münchner Residenztheater, erst in meinem zweiten Berufsjahr und habe überhaupt nicht daran gedacht, dass ich einen Film machen würde, geschweige denn einen internationalen. Mit „Bad Luck“ war erst ein Film von mir draußen, ich hatte noch nicht einmal die Arbeit über Egon Schiele gedreht. Kino hatte ich überhaupt nicht am Schirm. Ich dachte, ich würde jetzt Theater machen. Die deutsche Casterin Anja Dihrberg, die für „Ein verborgenes Leben“ Schauspieler gesucht hat, hatte mich aber, glaube ich, in einem Kurzfilm gesehen. Sie hat mich dann gefragt, ob ich nicht für ein Casting für Terrence Malicks nächsten Film vorbeischauen möchte.
Natürlich wollte ich.

Und da wussten Sie schon, dass es um die Geschichte von Franz Jägerstätter ging?

Nein, sie hat mir überhaupt nichts Genaues gesagt. Ich hatte keine Infos. Ich habe auch nichts zum Vorbereiten bekommen. Ich wollte mir aber zumindest noch einen seiner Filme vorher anschauen. Aber weil ich gerade umgezogen bin, hatte noch gar kein Internet in meiner Wohnung. Jetzt bin ich, nach der Probe bis zehn, elf Uhr nachts, noch schnell für eine Stunde zu McDonald‘s und hab mir die eine Stunde, bis dort zugesperrt wurde, irgendwo hinten über das Wifi den Film gestreamt – etwa drei Tage hintereinander.

Weil Malick ja kaum Filme unter drei Stunden vorlegt.

Ja (lacht). Dann bin ich zum Termin, bei dem sie mir einen der Briefe gegeben haben, die Franziska damals an Franz Jägerstätter geschrieben hat – auf Englisch. Damit habe ich dann improvisiert. Ein Video davon wurde an Terrence Malick geschickt. Direkt danach habe ich mir gedacht: Okay, das war jetzt wohl nix. Weil ich noch keine Mutter von drei Kindern bin so wie es Franziska Jägersätter war, auch mit dem Englisch war es ein bisschen schwierig. Drei Wochen später kam dann aber der Anruf, dass ich die Rolle habe. Es ging sehr, sehr schnell.

War Ihnen auch schnell klar, dass Franziska Jägersätter im Film fast genauso stark vorkommen wird wie Franz? Es sind quasi zwei Hauptrollen geworden: August Diehl als Franz, sie als dessen Ehefrau Franziska.

Es hat sich schon während des Drehs herauskristallisiert, dass ihre Sichtweise und ihr Erleben eine tragende Rolle spielen werden. Es war klar, dass beide im Zentrum stehen. Aber dadurch, dass Franz die treibende Kraft der Ereignisse war, war es doch etwas überraschend, dass sie – die „Passivere, die Zurückbleibende “ in dieser Konstellation – so viel Raum bekommen hat.

Wie viel haben Sie als junge Oberösterreicherin vor Ihrer Rolle über Franz Jägerstätter gewusst? Wurde Ihnen etwas über sein Schicksal in der Schule vermittelt?

Natürlich wusste ich über seine Geschichte Bescheid, aber bestimmt nicht in all ihren Details. Das habe ich erst durch den Dreh erfahren. Franz Jägerstätter war mir ein Begriff, aber woher ich ihn hatte?

So geht es wohl noch vielen Menschen.

Ja, im Grund aber heftig, dass Details und Tragweite seiner Geschichte – generell gesprochen – noch nicht stärker kollektiv verankert sind. Das empfinde ich doch als erstaunlich.

Der bäuerlichen Arbeit der Landwirtschaft der Familie Jägerstätter hat  Malick viel Raum im Film eingeräumt. Sie kommen vom Land, Ihre Großeltern hatten eine Landwirtschaft. Waren Sie die einzige am Set der internationalen Produktion, die Vorwissen hatte?

Ich hatte schon ein etwas Vorkenntnisse, aber Bäuerin in den 1940ern zu sein, so wie Franziska Jägerstätter – da war schon noch so einiges zu lernen. Mähen mit der Sense zum Beispiel, Kühe hatte ich vor dem Dreh noch nie gemolken, Schafscheren hatte ich auch noch nie gemacht. Diese Art von Vorbereitung war aber sehr wichtig.

Der Liebe zwischen Franziska und Franz Jägerstätter wird im Film ein Denkmal gesetzt.  Wie hat Malick Sie und August Diehl zu dieser emotionalen Intimität angeleitet?

Eigentlich hat er uns keine Anweisungen gegeben, es gab auch keine Proben. Es war wirklich ein Sprung ins kalte Wasser. Beim Casting war es so, dass ich schon besetzt war, und August für die Rolle als Franz als Letzter für ein gemeinsames Vorsprechen dazukam. Irgendwie war es sofort klar, dass er es sein wird. Es war eine glaubhafte Chemie zwischen uns da. Dafür haben wir gar nicht mehr viel erarbeiten und erfinden müssen. Die Szene, in der er aus Enns von der Grundausbildung für den Wehrdienst zurückkehrt, haben wir in der ersten Woche gedreht (eine sehr innige, liebevolle Szene, Anm.) Da war das Motto: Einfach reinschmeißen! Und da gab es auch keine lange Annäherung. Aber ich tue mir bei solchen Dingen relativ leicht. Ich denke mich hinein, stelle mir vor: Das ist mein Ehemann. Für mich gibt es dabei nicht viele Hemmungen.

Ein wichtiges Element der Erzählung von Malick sind die Briefe, die sich Franz und Franziska damals geschrieben haben. War das ausschließlich deren echte Korrespondenz oder gab es auch Fiktionalisierungen?

Der gesamte Film ist von den Originalbriefen inspiriert. Daraus stammen die meisten Passagen, die im Film zu hören sind, aber es gibt auch welche, die erdacht wurden beziehungsweise von Terry geschrieben wurden. Die Briefe waren für mich das Wichtigste in der Vorbereitung. Sie waren das Erste, was er mir geschickt hat. Ich habe alleine beim ersten Durchlesen schon weinen müssen.

Wie ist es, einen Star-Regisseur wie Terrence Malick beim Spitznamen „Terry“ zu nennen?

(lacht) Ich weiß, das kommt immer blöd rüber.

Nein, überhaupt nicht. Es klingt einfach nach Vertrautheit.

Alle, die ihn kennen, nennen ihn einfach so. Und ich auch, seitdem ich mit ihm gearbeitet habe. Es fühlt sich komisch an, "Terrence Malick" zu sagen, wenn ich über ihn spreche.

Wahrscheinlich passt auch ein Spitzname, der nach einem lieben, bodenständigen Menschen klingt, zu seinem Charakter?

Ja, definitiv.

Was hat Ihnen die Verbindung von Franz und Franziska über Liebe gelehrt? Es gibt eine Szene, in der ihn Anwalt und  Pfarrer dazu bringen wollen, ein Schlupfloch ins Überleben zu nutzen. 
Sie aber sagt: „Ich bin bei dir. Ich liebe dich. Tu, was richtig ist“.

Als wir diese Szene gespielt haben und ich sie danach gesehen habe, dachte ich mir auch: Diese Situation ist unglaublich interessant. Die beiden bilden ein stilles Zentrum. Um sie herum aber sind so viel Lärm, Panik und Hektik. Und ich habe mir gedacht, dieses Zusammensein ist so ein heftiger Gegensatz. Und genau durch dieses Zusammensein, das gar keiner Worte mehr bedarf, können sie das durchstehen. Man kann dadurch einfach alles erdulden.

Wie hat sich das für Sie persönlich angefühlt?

Ich habe gemerkt, dass ihre Liebe über den Schmerz und den Tod hinausging. Das klingt vielleicht jetzt kitschig und überholt: Aber ich bin mir wirklich darüber klar geworden, wie stark Liebe ist. Dass sie wirklich stärker als Hass ist, letztlich auch als der Tod und, dass sie das ist, was ihnen hilft, durch diese Entscheidung zu gehen. Jeweils alleine hätten sie das wahrscheinlich nicht geschafft – nicht mit so einem Intaktbleiben als Mensch. Ihre Art von Liebe hat mich sehr beeindruckt. Ich denke, die Herausforderung, die Extremsituation, vor der sie gestanden sind, hat diese Liebe auch noch wachsen lassen. Für mich ist Liebe auch die einzige Antwort, die es hier auf das Hitler-Regime geben hat können.

Malick ist dafür bekannt, in seinen Film die Verbindung der Geschehnisse zur Natur herauszuarbeiten. Wie wichtig war ihm die Natur in „Ein verborgenes Leben“?

Sehr wichtig. Wer den Film sieht, erkennt bestimmt, dass die Natur ein eigener Charakter ist. Das war nicht unbedingt etwas, was einem während des Drehs sofort aufgefallen ist. Aber schon allein weil die Jägerstätter Bauern waren, hat eine unglaublich geerdete Selbstverständlichkeit ihre Verbindung zur Umwelt geprägt. Natürlich hat es sehr geholfen, dass wir beim Dreh jeden Tag quasi in einer „Postkarte“ gestanden sind (in Südtirol, Anm.). Das hat uns ermöglicht, ohne sozusagen spirituell abzuheben, diese Verbundenheit zu leben. Für Franz und Franziska war sie, denke ich, etwas Essenzielles, Wichtiges, das ihnen Klarheit über die Welt als Gesamtes gegeben hat. Was letztlich wohl auch dazu führt, dass man über den Faschismus sagt: Was soll das jetzt?

Es wirkt beinahe so, als hätte Malick jene Spielzeit, die im konventionellen Weltkriegsfilm für Kampfhandlungen vorgesehen ist, der Natur gewidmet. Man sieht ja von der Kriegszeit– außer historischer Aufnahmen von Hitler – im Grunde nichts.

Der Krieg hat auch abseits der Schlachtfelder stattgefunden. Und man spürt ihn in diesem Film so stark, obwohl man nicht an seine Schauplätze geführt wird. Wie das nationalsozialistische Gedankengut sich in das Dorf schleicht, das Miteinander ändert, Angst schürt. Die intakte und auch mächtige Natur erscheint wie ein gleichmütiger Gegenspieler zum Krieg. Liebe gegen blinde Zerstörung.

Den drei Jägerstätter-Töchtern wurde der Film bereits gezeigt. Sie haben damals sogar die englische Version für sie übersetzt. Wie hat den dreien Ihre Verkörperung ihrer jungen Mutter gefallen?

Sie waren sehr gerührt und bewegt. Es hat ihnen sehr gut gefallen. Der Film wurde sozusagen offiziell abgenommen. (lacht)

*****

Die Premiere: Bevor „Ein verborgenes Leben“ am 31. 1. im Kino startet, laden die OÖN am 21. 1. in Kooperation mit der Diözese und dem Jägerstätter-Institut zur Premiere in die Linzer Kinos City und Moviemento (ab 19 Uhr). Mit dabei sind Hauptdarstellerin Valerie Pachner und Karl Markovics – er spielt den Bürgermeister von St. Radegund im Film. Die Karten sind heiß begehrt, 10x2 gibt es zu gewinnen: www.nachrichten.at/gewinnspiele
 
Mit Terrence Malick hat ein echter Regie-Könner den Jägerstätter-Stoff verfilmt. Der Amerikaner (76) war drei Mal Oscar-nominiert, 1998 zwei Mal für „Der schmale Grat“ mit Sean Penn und George Clooney, einmal für „Tree Of Life“ (2012) mit Brad Pitt. Valerie Pachner präsentierte „Ein verborgenes Leben“ bereits in Cannes. Die Schallerbacherin ist einer der Nachwuchsstars des heimischen Films. Ihre Großeltern hatten eine Landwirtschaft, für Malicks Dreh lernte sie Schafscheren und Sensenmähen, er legte viel Wert auf authentische Darstellung bäuerlicher Arbeit.
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Autorin
Nora Bruckmüller
Redakteurin Kultur
Nora Bruckmüller

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