Salzburger Festspiele: Jacques Offenbachs Oper "Les Contes d’Hoffmann" enttäuschte
Belanglos inszeniert und musiziert, wurde die letzte große Opernpremiere am Dienstagabend vom Publikum sehr ambivalent aufgenommen.
Jaques Offenbachs einzige Oper „Les contes d’Hoffmann“ ist ein Werk, bei dem man sich eigentlich des Erfolgs sicher sein könnte, wenn nicht so viel aus der Spur gelaufen wäre wie an diesem Abend.
Das beginnt mit dem Dirigat von Marc Minkowski, der als Alte-Musik-Spezialist philologisch an die Sache heranging und die um spätere Zutaten bereinigte und mit wieder aufgefundenem Skizzenmaterial ergänzte Fassung von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck wählte. Das ist positiv, wie auch jener Umstand, nicht zu kürzen und alle Arien singen zu lassen. Allerdings war die musikalische Umsetzung mit den Wiener Philharmonikern alles andere als diesem Meisterwerk angemessen, wobei das nicht am Orchester lag, das mit wunderbar gefühlvollen Soli beeindruckte, sondern vielmehr, dass es zwischen Orchester und Bühne gewaltig wackelte und die rhythmische Präzision mit dem Chor eher Fehlanzeige war. Ein belangloses zur ebenso großteils belanglosen Inszenierung passendes Musizieren.
Ein Obdachloser mit Einkaufswagerl
Wenn man mit einem Stück nichts wirklich anzufangen weiß, dann scheinen heutige Regisseure sich in eine Theater im Theater Situation oder wie auch an diesem Abend gleich ins Filmstudio zu begeben. Hatten wir letztes Jahr genauso bei Verdis „Falstaff“. Hoffmann, kein Dichter mit liebesbedingter Schreibblockade, sondern ein abgesandelter Filmregisseur, der als Obdachloser mit einem Einkaufswagerl auf der Bühne herumirrt und darin die Erinnerungen an die Fiktion seiner Geliebten auf Zelluloid gebannt herumschleppt. Alle drei Figuren sind Projektionen seiner angebeteten Stella, sind Charakterzüge ein und derselben Frau. Dabei soll sich laut Regisseurin Mariame Clément die bei Offenbach fehlende Persönlichkeitsentwicklung ergeben. Im Olympia-Akt ist Hoffmann noch ein Low Budget-Filmer, der einen Barbarella-Verschnitt dreht, bei dem die schräge Figur im Metalloutfit auch gar keine Puppe, sondern einfach die Projektion seiner Sehnsüchte darstellt. Da passiert so manches mit Witz und auch das 70er-Jahre Setting samt Schlaghosen mag ja ganz nett anzusehen sein. Die Idee des Phantastischen geht allerdings genauso Flöten, wie die Harfe, die Olympia begleiten soll. Hier bedient Nicklausse sich heftig im Beat schüttelnd ein Keyboard. Wie einfallsreich!
Im Antonia-Akt erscheint Regisseur Hoffmann auf dem Höhepunkt und inszeniert einen Historienschinken in CinemaScope. Was auch schon im Olympia-Akt befremdlich gewirkt hat, ist der Umstand, dass eigentlich die Figur, die mit den Frauen interagieren sollte, der Regisseur ist, weshalb Mariame Clément hier dann auch ein Hoffmann-Double benötigt, dem der Regisseur angestrengt ins Drehbuch starrend seine Stimme leiht. Warum gerade Hoffmann diese Frau begehrt, ist genauso unklar, wie die große Distanz im Giulietta-Akt, der ziemlich glanzlos vorüberzieht. Wenn man schon in der Filmwelt bleiben möchte, dann wäre wohl das Setting einer Oscar-Verleihung angebracht. So nur grau in grau und wenig animierend. Gereift ist dieser Hoffmann nur wenig und fährt zum Schluss mit seinem Einkaufswagerl wieder von der Bühne, die von Julia Hansen opulent, aber wenig eindrucksvoll, gestaltet ist. Viel Firlefanz und wiederum die massive Angst der Regisseurin, dass Musik allein nicht wirken kann und dass sich die Qualität einer Inszenierung über die Zahl an planlos über die Bühne laufenden Statisten definiert. Intimität ebenso Fehlanzeige.
Benjamin Bernheim als famoser "Hoffmann
Sängerisch hat vor allem Benjamin Bernheim als Hoffmann so manches ins Lot gebracht. Er hat sich trotz der eigenwilligen Rolleninterpretation voll und ganz auf das Singen konzentriert und die Rolle höchst vielfältig, subtil phrasierend und stimmlich restlos überzeugend umgesetzt. Wahrscheinlich einer der besten Hoffmanns unserer Tage. Kate Lindsey ist als Muse/Nicklausse immer mehr aufgegangen und war von den Damen eigentlich die überzeugendste Sängerin. Kathryn Lewek hat zwar die Fähigkeit, alle Rollen von Olympia bis Stella beeindruckend zu singen, war aber entweder durch den Regie-Krempel zu sehr abgelenkt oder durch Minkowskis einfältiges Dirigat wenig ermutigt, wirklich zu brillieren. Davon war auch Christian Van Horn als Verkörperung der vier „Bösewichter“ weit entfernt. Er überzeugte schauspielerisch, wirkte aber sängerisch selten bestplatziert. Marc Mauillon (Dienerrollen), Géraldine Chauvet (Mutter) und Michael Laurenz (Spalanzani) führten das weitere, gemischt erfolgreiche Ensemble an. Der Staatsopernchor hat seine Qualitäten nur bedingt ausspielen können und wurde nur selten in Einklang mit dem Orchester gebracht.
Fazit: „Hoffmann“ hätte mit Benjamin Bernheim die Sensation sein können. Geworden ist es aber ein überinszenierter Fehltritt.
Diese neue Idee zur Umsetzung der Oper, einen Film zu drehen, erklärt die Situation viel besser und wenn "Hoffmann" plötzlich als Regisseur in die Szene selber einsteigt, dem "Darsteller" die Liebesszene vorspielt, ihn aufmerksam macht, genau zu schauen und er damit seine Eifersucht im Traum bezwingt, besser kann man es nicht zeigen und so reiht sich jede Begebenheit immer auch in eine Situation in die sich Hoffmann gerade befindet! Ich könnte Seiten füllen, was man alles entdeckt und nur eine Frau kann so gründlich und grandios inszenieren, diese Regisseurin, Frau Mariame Clément, muss man sich merken, sie wird Menschen in die Oper bringen, die sonst keinen Bezug dazu haben aber mit dieser Inszenierung immer die notwendige Erklärung gibt, um der Handlung folgen zu können! Es wurde nicht nur grandios gesungen, sondern auch grandios gespielt, vom gesamten Ensemble mit Chor und Statisten, das war eine Einheit, eine "Inszenierung aus einen Guss" und die ganze Welt wird diese sehen!
Ich habe gestern die Oper "Hoffmanns Erzählungen" im ORF 2 gesehen und was sich hier auf der Bühne über die 4 Akte abspielte, war atemberaubend, jeder Mensch auf der Bühne war besetzt, spielte mit Leidenschaft, dazu diese Weltstimmen, ich war begeistert. Wollte mir nach dieser Kritik diese Oper nicht anschauen, aber ich dachte, was ich nicht gesehen habe, kann ich auch nicht beurteilen und ich muss durch. Das war mein Glück, man soll sich ja nie beeinflussen lassen. Kritiker tun mir leid, sie sitzen auf einer Gratiskarte und müssen Fehler finden oder sogar auch suchen. Ich habe mich einfach eingelassen und wurde mit einer grandiosen Vorstellung mit Höchstleistungen belohnt, auch die Regie war so gründlich, jede Person auf der Bühne war ihr wichtig, war im Geschehen, ein Wunderwerk ist gelungen, kein Mensch ist ausgestiegen, wie man sagt. Diese Salzburger Festspiele legen eine Latte vor, die man fast nicht mehr überspringen kann! Auch der Dirigent mit dem gesamten Orchester ein Genuss!