Hödlmosers düsterer Abgesang in Tagebuchform
Mit "365 Tage" tritt der steirische Autor Reinhard P. Gruber von der Bühne des Schreibens ab.
Der steirische Schriftsteller Reinhard P. Gruber gehört zu den Autoren, die über einen gewissen Bekanntheitsgrad verfügen, weil ihnen in jungen Jahren ein echter "Wurf" gelungen ist. 1973 erschien "Aus dem Leben Hödlmosers", ein origineller, satirischer Beitrag zur österreichischen Antiheimatliteratur. Gruber war damals 26 Jahre alt. Jetzt ist er 72 und blickt auf eine durchwachsene Autorenkarriere zurück. Immerhin erscheint seit 20 Jahren bei Droschl eine Werkausgabe. Das ist kein unwichtiger Baustein zur Kanonisierung. Reinhard P. Grubers jüngstes Werk ist ein Tagebuch mit dem Titel "365 Tage". Laut Klappentext handelt es sich um das "letzte Buch eines Autors, der von der Bühne der Schreibenden abtritt". Wenn das stimmt, gebührt der Publikation allein aus diesem Grund Aufmerksamkeit. Wer allerdings von einem "Tagebuch" Tiefsinniges oder gar Intimes und Bekenntnishaftes erwartet, wird enttäuscht sein. Die 365 Tage im Leben des Reinhard P. Gruber bieten wenig Überraschendes und so gut wie keine Abwechslung.
Wenn es Fußball nicht gäbe...
Sonne. – Bewölkt. – Wolkig. – Bedeckt. – Regen. – Sonne … Jede Tagebucheintragung beginnt mit einem Wort aus dem Wettervokabular. Der einsame Dichter geht mit seinem Hund die übliche Runde. Menschen begegnet er selten, es gibt keinen Dialog mit einem "Du", sein Interesse am Treiben der Welt ist abgeflaut. Gelegentlich hört er Nachrichten im Radio, schaut in eine Tageszeitung, hört "ausschließlich ernste Musik" und sieht spezielle Sportsendungen. "Wenn es Fußball nicht gäbe, würde mich kaum noch etwas interessieren."
Nun ja, so lebt er hin. Lesen? Eher langweilig. "Meistens bringt Wissen gar nichts." Und der Literaturbetrieb ist ihm sowieso fremd geworden. Robust und generalisierend fallen die wenigen politischen Betrachtungen aus. Die Menschheit sieht Gruber in Abgründe taumeln. Sein Antikapitalismus ist grundsätzlich, aber ohne Gegenutopie und ohne Hoffnung, denn eine "Revolte wird es gegen die Reichen, die wahren Ausbeuter dieser Erde (…), nie mehr geben".
Mit dem Alter wird der Körper beschwerlich und der Geist ehrgeizlos. Die täglichen Tagebuchnotizen, zu denen sich der Autor ein Jahr lang verpflichtet, lesen sich wie die monologischen Protokolle eines Ein-Mann-Stammtischs. Gegen Ende doch noch ein überraschender Satz: "Das Leben freut sich trotzdem, zu leben." Damit hatten wir nun wirklich nicht mehr gerechnet.
Reinhard P. Gruber: "365 Tage". Droschl, 370 Seiten, 23 Euro
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