Harmloses "Pariser Leben" in Zeiten der touristischen Überflutung
Lehár-Festival Bad Ischl: Premiere zum 200. Geburtstag von Jacques Offenbach.
Unterhaltungstheater war in seiner ureigensten Bestimmung immer tagesaktuell und reagierte auf gesellschaftliche Ereignisse bzw. das durchaus lasterhafte Leben der Reichen und weniger Reichen. So entstand auch 1866 Jacques Offenbachs "La Vie Parisienne", das ganz gezielt als Touristenattraktion für die zweite Weltausstellung – zwölf Jahre nach der ersten im Jahre 1855 – in Auftrag gegeben wurde und die Erfahrung des Massentourismus auf höchst pointiert satirische Art und Weise mit einer gehörigen Portion Sarkasmus auf die Bühne bringen sollte. Das in Zeiten, in der Begriffe wie "Overtourism" noch absolut unbekannt waren.
Aktuell und regional?
Zum 200. Geburtstag Offenbachs setzte das Lehár-Festival Bad Ischl dieses Werk auf den Spielplan. Am Samstag war Premiere unter der Regie von Markus Kupferblum und in der Ausstattung von Toto. Was dabei nicht aufging, ist eben die Besonderheit, dass Musiktheater-Unterhaltung nur dann funktioniert, wenn sie tagesaktuell und regionalspezifisch ist. Aber da würde man genauso – wie bereits vor 153 Jahren befürchtet – bei den Tourismusverantwortlichen anecken.
Für das Lokalkolorit ist die Verwandlung des Brasilianers Pompa bei seinem Auftrittslied am Ende des ersten Akts in einen Österreicher mit Lederhose zu wenig – vor allem dann, wenn ihm im dritten Akt diese wieder zugunsten des Sombreros ausgezogen wird. Anspielungen auf Polizeipferde und sonstigen politischen Aktionismus jüngster Zeit mag nett sein, die wirklich treffsicheren Pointen und Lacher blieben dabei großteils aus. Und so schleppte sich das ausgelassene Pariser Leben eher gemächlich und wenig inspirierend bis zur Pause.
Danach kam wirklich Leben ins Spiel, und der dritte und vierte Akt überzeugten mit feiner Situationskomik und netten Tableaus. Ein paar Striche hätten sicherlich auch da nicht geschadet. Musikalisch lag der Abend bei Marius Burkert in den besten Händen, der das Spezifikum Offenbach’scher Musik ziemlich genau getroffen hat und mit dem bestens disponierten Lehár-Orchester fein musizierte. Das war auf der Bühne nicht immer auf gleichem Niveau zu erleben, wobei bei Operette immer zu hinterfragen ist, wo die Balance zwischen stilsicherem, musikalisch präzisem Gesang und überbordender Schauspiellust liegen sollte.
Den Spagat trafen Gerd Vogel als köstlicher Baron Gondremark, Verena Barth-Jurca als quirlige Gabrielle und Julia Sturzlbaum als quicklebendige Pauline am besten. Fein auch die beiden gar nicht so gegensätzlichen Freunde Raoul de Gardefeu (Daniel Jenz) und Bobinet Chicard (Ivan Orescanin). Matthias Störmer mimte gekonnt die von der Regie her durchaus überdreht angelegten Rollen des Jean Frick und Pompa, Christiane Marie Riedl war eine ziemlich sprachundeutliche Metella und Alexandra Reinprecht eine doch etwas bemühte Baronesse. Für Chor und Tänzer ist dem Regisseur szenisch vor allem in den ersten beiden Akten nicht allzu viel eingefallen. Alles fügte sich in ein harmlos nettes Korsett.
Fazit: Die Premiere war mehr Pflichterfüllung zum runden Geburtstag von Offenbach als wirklich pointensicheres und überzeugt animiertes Unterhaltungstheater.
Lehár-Festival, Bad Ischl: "Pariser Leben", Operette von Jacques Offenbach, Premiere: 20.7.; weitere Termine: 24.7., 26.7., 31.7.; Karten: www.leharfestival.at, karten@leharfestival.at und 06132/238 39