"Hamilton": Das erfolgreichste Musical der Welt kommt in unsere Wohnzimmer
Ab heute ist Lin-Manuel Mirandas "Hamilton" auf dem Streamingdienst Disney+ zu sehen.
Es war ein impulsiver Buchkauf am JFK-Airport, der Lin-Manuel Miranda zum erfolgreichsten zeitgenössischen Musical-Macher avancieren ließ. Auf der Suche nach Lesestoff für den Urlaub fiel der Blick des New Yorkers mit puerto-ricanischen Wurzeln auf Ron Chernows Biografie von Alexander Hamilton. Der aus ärmlichsten Verhältnissen stammende Politiker, dessen Konterfei auf dem 10-Dollar-Schein verewigt ist, war ein Gründervater und erster Finanzminister der jungen Vereinigten Staaten – und starb spektakulär im Pistolenduell mit US-Vizepräsident Anthony Burr. Miranda, dessen Musical-Erstling "In The Heights" etliche Preise eingeheimst hatte, war sofort fasziniert. Der Rest ist Geschichte. Mit elf Tonys, sieben Olivier Awards, einem Pulitzer-Preis, 1,5 Millionen verkauften Soundtrack-CDs sowie einem Einspielergebnis von einer Milliarde Dollar seit Februar 2015 ist "Hamilton: An American Musical" ein echter Welterfolg. Ab heute ist das Hit-Musical auch in Österreich zu sehen – und zwar auf dem Streamingdienst Disney+. Ein Deal, der Disney stolze 75 Millionen Dollar kostete. Wie in den ersten 18 Monaten am Broadway spielt die Hauptrolle übrigens Lin-Manuel Miranda (40) selbst, der überdies auch für Buch, Lyrics und die Musik verantwortlich zeichnet.
"In jedem Jahrzehnt gibt es eine Highlight-Produktion, die das Genre komplett verändert. ,Hamilton’ ist definitiv so eine", sagt Matthias Davids (57), Musical-Spartenleiter am Linzer Landestheater. Denn: "Miranda hat hier eine neue kreative Sprache gefunden. R’n’B, Hip-Hop, Rap, Britpop, gepaart mit klassischem Musical-Gesang – das gab’s noch nie. Dazu ist es eine clevere Geschichtsstunde light."
Popkulturelles Phänomen
"Hamilton" ist aber nicht nur aufgrund der mitreißenden Melodien (speziell "My Shot", "Wait For It") und den furios gesetzten Reimen ein popkulturelles Ereignis, das weit über den Broadway hinaus wirkt. Lin-Manuel Miranda inszeniert den 1755 auf den Westindischen Inseln als unehelicher Sohn eines Schotten geborenen Hamilton virtuos als Symbol für Integration, als Posterboy für den amerikanischen Traum von Ruhm durch Intelligenz und harte Arbeit. Auf der Bühne sind es ausnahmsweise nicht alte, weiße Männer, die die Geburtsstunde der USA einläuten, sondern Afroamerikaner und Latinos. "Hamilton" deutet mit Augenzwinkern die Geschichte um und fungiert auf diese Weise als gesellschaftspolitischer Kommentar. Wer erlebt hat, wie der ganze Theatersaal bei der Zeile "Immigrants – we get the job done!" jubelnd aufspringt, versteht auch, warum US-Präsident Donald Trump im November 2016 auf Twitter heftig gegen das Ensemble wetterte. Dieses hatte seinem Vize Mike Pence am Ende einer Aufführung, die dieser besucht hatte, eine mahnende Botschaft über die "amerikanischen Werte" mit auf den Weg gegeben.
Ab November 2021 in Hamburg
Kommendes Jahr läuft Barack Obamas Lieblingsmusical erstmals im deutschsprachigen Raum, am 28. November 2021 steigt die Premiere in Hamburg. Das Vorsingen beginnt in den kommenden Tagen. Eine Mammutaufgabe laut Matthias Davids. "Ich weiß, dass die Darsteller-Suche bereits einmal erfolglos abgebrochen wurde. Musical-Darsteller, die überzeugend rappen können, gibt es kaum. Und so eine Rolle kann kein weißer Bassbariton singen." "Hamilton" eines Tages nach Linz zu bringen, würde ihn aber trotzdem "selbstverständlich" reizen. Falls dies nicht klappt, könnte man ein österreichisches Äquivalent andenken. Vielleicht gibt’s ja also bald ein Musical über Bruno Kreisky?
Der „echte“ Alexander Hamilton
Geboren 1755 auf der Karibikinsel Nevis als Sohn einer früh verstorbenen Hugenottin und eines verarmten schottischen Adligen, entpuppte sich Alexander Hamilton früh als Wunderkind. Im Unabhängigkeitskrieg war er Adjutant George Washingtons, von 1789 bis 1795 Finanzminister. Hamilton machte sich um die US-Verfassung und den wirtschaftlichen Aufschwung verdient. Am 11. Juli 1804 wurde er bei einem Duell mit seinem politischen Rivalen Anthony Burr getötet.
- Buchtipp: Ron Chernow, „Alexander Hamilton“ (Penguin)
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