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Große Musik sprengt alle nationalen Grenzen

Von Michael Wruss   21.Juni 2019

Beim letzten Konzert des Großen Abonnements im Brucknerhaus sprang am Dienstag das Nationale Sinfonieorchester der Ukraine unter Thomas Sanderling ein und präsentierte dasselbe Programm, das das Tschaikowski-Sinfonieorchester des Moskauer Rundfunks unter Neeme Järvi hätte aufführen sollen. Dies hatte auch eine politische Dimension – dirigierte doch ein in Novosibirsk geborener und seit 2009 mit russischer Staatsbürgerschaft versehener Dirigent ein ukrainisches Orchester. Das Programm, das unter dem Motto "Göttliche Gedichte" lief, stellte zwei symphonische Werke in den Blickpunkt.

Zwei Werke, die nicht unterschiedlicher sein könnten und doch so vieles gemeinsam haben. Nietzsches Philosophie einer neuen Religion faszinierte nicht nur den jungen Richard Strauss, der dem Hauptwerk des deutschen Denkers mit "Also sprach Zarathustra" ein Denkmal setzte, sondern auch seinen acht Jahre jüngeren russischen Kollegen Alexander Skrjabin, der wie Strauss um die Jahrhundertwende keinen Stein auf dem anderen beruhen ließ. Beide trugen wesentlich zur Entwicklung der musikalischen Moderne bei, nur dass Strauss sich vom Posten des radikalen Vorreiters zurückzog und Skrjabin aufgrund des frühen Todes nicht das verwirklichen konnte, was er wollte.

Zieht den Hörer in den Kosmos

Seine dritte Symphonie "Le divin poème" stellt nicht nur den durch eine personifizierte Gottheit versklavten Menschen jenem frei denkenden Menschen gegenüber, der seine eigene Göttlichkeit in sich trägt – "Ich bin Gott" –, sondern geht auch musikalisch neue Wege, indem die alte Ordnung aus Terzen aufgebauter Akkorde von Quartklängen verdrängt wird. Gemeinsam haben beide Partituren auch die Riesenbesetzung und eine dichte kompositorische Faktur, die ein an der Oberfläche verhaftet bleibendes Zuhören kaum zulässt, sondern verlangt, sich in den Kosmos der neuen Klanglichkeit hineinziehen zu lassen. Das ist Thomas Sanderling mit dem Nationalen Sinfonieorchester der Ukraine, das einst als Staatliches Sinfonie Orchester der UdSSR bekannt war und mit den größten Dirigenten und Solisten zusammenarbeitet, gelungen, hat sich doch das Orchester viel vom Glanz seiner Vergangenheit bewahrt und kann mit strahlenden Blechbläserklängen, sauber intonierten Holzbläserakkorden und weich timbrierten Streichern punkten. Dass diese Musik nicht leicht zu vermitteln ist, war dennoch nicht zu überhören.

Fazit: Ein überzeugendes Konzert, das nicht nur ob seiner musikalischen Qualitäten überzeugte. Musik sprengt eben alle Grenzen und geistigen Barrikaden.

Brucknerhaus: Großes Abo mit dem Nationalen Sinfonieorchester der Ukraine. 18.6.

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24. April 2024