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Geschichte der Schulbücher in Österreich

Von Roman Sandgruber, 02. Juli 2022, 00:04 Uhr
Bad Leonfelden Schule wie damals
Schulpflicht seit Maria Theresia Bild: Volker Weihbold

Schulbücher waren immer auch ein Politikum – schon unter Maria Theresia, besonders ab 1938.

Das erste Schulbuch, das mir in Erinnerung geblieben ist, war ein Schullesebuch meiner Mutter. Es stammte aus dem Jahr 1938. Merkwürdigerweise erinnere ich mich nicht daran, was da zu lesen war. Viel interessanter war für mich schon damals, was darin nicht zu lesen war: die vielen mit schwarzer Druckerfarbe unleserlich gemachten Absätze und ganzen Seiten, die offenbar vom Verlag vor der Auslieferung noch schnell geschwärzt worden waren. Die schulische Auslöschung jüdischer Autoren als Vorbereitung der realen Auslöschung!

Aus meiner eigenen Volksschulzeit sind es zwei Schulbücher, die ich noch besitze, der Katechismus und die biblische Geschichte. Das eine war zum Lesen, das andere zum Auswendiglernen: die Zehn Gebote, die fünf Todsünden, die sechs Grundwahrheiten, die sieben Werke der Barmherzigkeit… Das einzige weltliche Schulbuch, das mir aus der Volksschulzeit in Erinnerung ist, war "Aufnahmsprüfung leicht gemacht", das erstmals 1949 im Österreichischen Bundesverlag veröffentlicht und dann Jahrzehnte hinweg von vielen angehenden Gymnasiasten verwendet wurde. Der Sohn des Grafen und die Kinder der Lehrerin und des Kammersekretärs hatten es. Ich habe es nie besessen und bin ohne diese Vorbereitung zur Aufnahmsprüfung gefahren. Entsprechend schlecht waren die Resultate. Aber immerhin: Ich habe bestanden.

Im Gymnasium gab es natürlich Schulbücher, den Liber Latinus, dazu Rechen- und Lesebücher, Lexika und Atlanten. In den Realien hingegen wurden Schulbücher kaum verwendet. Vielleicht vertrauten ihnen die Lehrer nicht und trugen den Stoff lieber selber vor, der sorgfältig mitgeschrieben werden musste. Die Schulbücher waren teuer. Sie wurden aus der Schulbibliothek geliehen oder meist von Mitschülern übernommen und wieder weitergegeben. Wer hatte ein weniger zerschlissenes Exemplar? Wer konnte sich vielleicht sogar ein neues leisten?

"Die Schüler haben profitiert"

In Schulbücher etwas hineinzuschreiben, sie zu bekritzeln, zu beklecksen oder sonst wie zu beschädigen, galt als Sakrileg. Noch heute habe ich eine heilige Scheu, in Bücher etwas hineinzuschreiben. Es war ein mutiger Schritt der Regierung Kreisky, die Schulbücher ab dem Jahr 1972 für alle Schüler gratis zu machen, auch wenn es oft als Ressourcenvergeudung gebrandmarkt wurde. Die Schüler haben profitiert. Aber noch mehr haben sich die Verlage gefreut.

Schulbücher sind ein Schatz voller Wissen, aber noch mehr voller Erinnerungen, und immer auch ein Spiegel der jeweiligen Zeit. Sie sind aber auch ein Politikum, schon seit Maria Theresia 1772 den Anstoß für die Gründung des Österreichischen Bundesverlags gab, der heuer jubiliert. Maria Theresia hatte erkennen müssen, wie schwach die riesige Habsburgermonarchie nicht nur militärisch und wirtschaftlich, sondern vor allem auch im Bildungswesen gegenüber dem viel kleineren Preußen geworden war.

Aufarbeitung der NS-Zeit ...?

Mit der Einführung der allgemeinen Unterrichtspflicht im Jahr 1774 – eine Schulpflicht war das noch nicht wirklich – wurden auch die Schulbücher zu einer Angelegenheit des Staates. Sie blieben immer ein Politikum, eingeklemmt zwischen Staat und Kirche, in der Monarchie, in der Ersten Republik, im Ständestaat und erst recht im Nationalsozialismus. Eine Verantwortung für die virtuellen Auslöschungen und Verhetzungen, die in den Schulbüchern zwischen 1938 und 1945 vor sich gingen, haben die Schulbuchverlage bislang nicht übernommen. Man habe ja nur seine Pflicht getan und die politischen Vorgaben umgesetzt. Auch in den vielen Reden und Grußadressen anlässlich der 250-Jahr-Feier des Österreichischen Bundesverlags war davon nicht die Rede. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die Eigentümer jetzt auch diese Aufarbeitung angekündigt haben.

Es war im Jahr 2002 zweifellos ein verhängnisvoller Entschluss der Regierung Schüssel, den direkten Zugriff auf die Schulbuchproduktion aus der Hand zu geben und zuerst 53 Prozent an den deutschen Klett-Verlag zu verkaufen. Seit 2007 ist der Österreichische Bundesverlag ganz in deutscher Hand: Damit ging eine Ressource außer Land, die mindestens so wichtig ist wie die Düngemittelsparte, deren Verkauf an Tschechien gerade über die Bühne geht.

Wie es mit den Schulbüchern weitergehen wird, wissen wir nicht. In den Festreden war viel vom hybriden Lernen die Rede. Von der Digitalisierung unseres Schulwissens. Der öbv-Geschäftsführer Maximilian Schulyok spricht nicht mehr vom Wissen, sondern nur mehr von Kompetenzen: Es habe sich gezeigt, dass Corona die effektivste Bildungsreform war. Ob ihm da alle Lehrer und Eltern zustimmen, darf man zu Recht bezweifeln. Was passiert mit unserem Schulbuchwissen? Es kommt aus der Cloud und wandert in die Cloud.

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Autor
Roman Sandgruber
Roman Sandgruber
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