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Fake? Das Rätsel um das teuerste Gemälde der Welt

Von Lukas Luger   08.Jänner 2022

Original oder Fälschung? In den vergangenen Monaten entfachten die Spekulationen um "Salvator Mundi", den "Erlöser der Welt", neu. Ist das im November 2017 für 450 Millionen Dollar in New York versteigerte und seither verschwundene Christusbild wirklich das letzte, jahrhundertelang als verschollen gegoltene Werk von Leonardo da Vinci oder eine der größten Betrügereien der Kunstgeschichte? Sowohl der derzeit in den Kinos laufende Dokumentarfilm "The Lost Leonardo" als auch die am Sonntag im ORF zu sehende Doku "Der letzte Leonardo" (ORF 2, 23.05 Uhr) beleuchten die irrwitzige Geschichte des teuersten Gemäldes aller Zeiten. Kein Krimiautor hätte einen Plot erfinden können, in dem geldgierige Händler, eine dubiose Restauratorin, uneinige Experten, ein Oligarch sowie ein Scheich ein lädiertes, um 1175 Dollar versteigertes Gemälde zur Spitzentrophäe des Kunstmarkts emporjubeln.

Doch genau dies ist im Fall des "Salvator Mundi" passiert, der seit 1603 als verschollen galt. 2005 kauft der US-Kunsthändler Robert Simon auf Anraten eines Kunstdetektivs, der darauf spezialisiert ist, wertvolle "Perlen" unter scheinbar wertlosen Werken aufzuspüren, das 45 mal 65 Zentimeter große Ölgemälde bei einem drittklassigen Auktionshaus in New Orleans. Es stammt aus dem Nachlass eines Geschäftsmannes aus Louisiana, der das als Werk des Leonardo-Schülers Boltraffio klassifizierte Gemälde 1958 gekauft hatte. Es ist schwer beschädigt, zudem stark übermalt.

Fake? Das Rätsel um das teuerste Gemälde der Welt
Die Restauratorin: Dianne Modestini

Simon engagiert die befreundete Restauratorin Dianne Modestini, die in zweijähriger Arbeit den "Erlöser" wiederherstellt. Dabei malt sie 75 Prozent des Gemäldes komplett neu – und ist danach überzeugt, dass das Gemälde ursprünglich von Leonardo da Vinci stammt. Pikant: Modestini sichert sich eine finanzielle Beteiligung an einem Weiterverkauf. Für den renommierten deutschen Kunsthistoriker Frank Zöllner ist der Fall klar: "Es gibt die alten Teile des Gemäldes, die original sind – die stammen von Schülern –, und dann die neuen Teile, die nach Leonardo aussehen, aber von der Restauratorin sind. Auf gewisse Weise ist es ein Meisterwerk von Dianne Modestini."

Experten sind sich uneinig

Simon ist das alles egal. Er nimmt Kontakt mit Nicholas Penny auf, dem Direktor der ehrwürdigen National Gallery in London. Dieser befindet sich zusammen mit Kurator Luke Syson in den Vorbereitungen auf eine große Leonardo-Retrospektive, beide können ihr Glück über den Sensationsfund kaum fassen. Sie laden fünf internationale Da-Vinci-Koryphäen ein, den "Salvator Mundi" zu begutachten. Drei Experten legen sich nicht fest. Einer ist sich sicher, dass das Bild nicht aus der Hand des Meisters stammt. Nur ein Experte ist überzeugt, den "letzten Leonardo" vor Augen zu haben: ausreichender Beweis für Penny, das Gemälde als "echt" zu klassifizieren und zwischen November 2011 und Februar 2012 zu zeigen. Der globale Hype um den "Erlöser der Welt" ist gigantisch, die National Gallery darf sich über Millionen verkaufte Tickets freuen.

Nur: Kaufen will das Gemälde niemand. Renommierte Museen wie die Gemäldegalerie in Berlin lehnen mit Hinweis auf die Übermalungen und die fragwürdige Provenienz ab. Der Oligarch Dmitri Rybolowlew, Besitzer des Fußballklubs AS Monaco, lässt sich nicht abschrecken, im Mai 2013 erwirbt er das Bild um 127,5 Millionen Dollar. Dabei hilft ihm der Schweizer Kunsthändler Yves Bouvier, eine zwielichtige Figur. Bouvier soll das Bild anonym kaufen und dem Russen übergeben. Dies tut der Schweizer, verheimlicht seinem Auftraggeber aber, dass er "nur" 83 Millionen Dollar gezahlt hat. Die Differenz von stolzen 44,5 Millionen Dollar wandert in Bouviers Börserl.

Als Rybolowlew den Betrug bemerkt und herausfindet, dass Bouvier bei früheren Ankäufen ähnlich verfahren war, verklagt er nicht nur seinen Ex-Geschäftspartner, sondern wirft gekränkt seine komplette Kunstsammlung auf den Markt. So landet der "Salvator Mundi" 2017 bei "Christie’s" in New York.

Im Vorfeld der Versteigerung lanciert das Auktionshaus eine extrem teure Marketingkampagne mit Hollywoodstar Leonardo DiCaprio, in deren Rahmen das Gemälde in Hongkong, London, San Francisco und New York ausgestellt und als "männliche Mona Lisa" vermarktet wird. Mit Erfolg: 20 Minuten lang führt Auktionator Jussi Pylkkanen am 15. November 2017 die Bieter durch die Versteigerung – und dann fällt der Hammer bei unfassbaren 450 Millionen Dollar!

Fake? Das Rätsel um das teuerste Gemälde der Welt
Der Auktionator: Jussi Pylkkanen

Wo ist der "Salvator Mundi"?

Als Käufer entpuppt sich der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. Öffentlich zeigt er seinen Erwerb aber nie, das Bild bleibt bis heute verschollen. Eine Ausstellung im Louvre in Abu Dhabi wird 2018 ebenso kurzfristig gecancelt wie eine Leihgabe für die Da-Vinci-Ausstellung zum 500-Jahr-Jubiläum des Meisters im Pariser Louvre im Jahr darauf. Dabei interveniert der Scheich noch wenige Tage vor der Eröffnung bis in höchste politische Kreise, damit sein Gemälde neben der "Mona Lisa" hängen darf. Doch dann der spontane Rückzug.

Eine Erklärung? Detaillierte wissenschaftliche Analysen des Louvre sollen eindeutig nachgewiesen haben, dass das Werk zwar im Atelier Leonardos entstanden sei, dieser selbst aber nur "minimal" dazu beigetragen habe. Eine Katastrophe für die Saudis. Wo sich der "Salvator Mundi" heute befindet, ist unbekannt. Er soll gerüchteweise auf der Luxusjacht des Prinzen hängen. Ob er je wieder öffentlich zu sehen sein wird, ist ungewiss.

Fake? Das Rätsel um das teuerste Gemälde der Welt
Der Besitzer: Mohammed bin Salman

Leonardo im Doppelpack

  • Am Sonntag, den 9. Jänner, zeigt ORF 2 in seiner „dokFilm“-Reihe um 23.05 Uhr den exzellenten Dokumentarfilm „Der letzte Leonardo – Das teuerste Kunstwerk der Welt“ (Fra, 95 Min.) des französischen Regisseurs Antoine Vitkine.
  • Ebenfalls sehr zu empfehlen ist die ähnlich gelagerte Doku „The Lost Leonardo“ (Fra/Den, 96 Min.) des Dänen Andreas Koefoed, die derzeit in heimischen Kinos zu sehen ist.
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29. März 2024