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"Es ist langwierig, anstrengend und fühlt sich überhaupt nicht wie eine Grippe an"

Von Nora Bruckmüller, 05. Juni 2020, 04:00 Uhr
Regisseurin Eva Spreitzhofer
Bild: Brunner Images/Philipp Brunner

Knapp 85.000 Besucher lockte Eva Spreitzhofer 2018 mit "Womit haben wir das verdient?" in die Kinos. Heute um 20.15 Uhr feiert die Komödie TV-Premiere auf ORF eins. Diesen März erkrankte die Filmemacherin (53) an Covid-19. Wie sie die „Normalisierung“ im Land erlebt und die Corona-Krise ihre Arbeitsinhalte beeinflusst, erzählte sie den OÖNachrichten.

Frau Spreitzhofer, am 5. Juni läuft Ihr Film „Womit haben wir das verdient?“ im ORF (ORF eins 20.15 Uhr).
Sie schreiben gerade an Teil 2. Gibt es dafür Ideen, inspiriert von der Corona-Pandemie? 

Eva Spreitzhofer: Ja, wer weiß, vielleicht driftet eine Figur Richtung Xavier Naidoo ab und glaubt, dass irgendwelche Klone und Roboter Kinder unterirdisch festhalten. Das könnte ich mir ganz lustig vorstellen. Wenn man vor kurzem noch gesagt hätte, man baut ein, dass es den Weihnachtsmann tatsächlich gibt, nur wird er irgendwo unter der Erde festgehalten, hätte jeder gesagt: Geh‘ bitte, das kannst du nicht bringen. Jetzt, wo tatsächlich darüber diskutiert wird, dass Kinder unterirdisch gefangen gehalten werden und es eine große Anzahl an Menschen gibt, die daran glauben, ist es natürlich wert, das in einen Film einzubauen.

Ihre eigene Covid-19-Erkrankung ist aber kein Thema?

Meine Erkrankung möchte ich nicht thematisieren. Aber die Situation, für einander Verantwortung zu übernehmen, in Zusammenhang mit der Entwicklung bezüglich Impfungen finde ich interessant. Wir hatten ja lange die Übereinkunft, dass wir uns glücklich schätzen können, uns gegen Krankheiten impfen lassen zu können, an denen in armen Ländern Menschen sterben, weil sie keinen Zugang dazu haben. Heute lehnen Menschen kategorisch ab, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, obwohl es den Impfstoff noch nicht einmal gibt. 

Welche Haltung haben Sie gegenüber dem auch verständlichen Wunsch, zu vergessen, was war, und den Mund-Nasen-Schutz auch einmal sein zu lassen, wo er doch geboten wäre? 

Es ist wichtig, zu erkennen und zu wissen: Den Mund-Nasen-Schutz setze ich nicht auf, um mich, sondern um andere Menschen zu schützen. Wenn ich das Gefühl habe, dass damit alles sehr anstrengend ist und ich ihn nicht tragen will, ist das nicht nur eine  individuelle Entscheidung, sondern auch ein unverantwortliches Vorgehen im Hinblick auf eine zweite Welle. Nur wenn wir uns alle, so gut es geht, an Sicherheits- und Abstandsregeln halten, werden wir nicht noch mehr Schwierigkeiten haben. Ich  finde das vergleichbar mit der Situation, wenn man das erste Mal miteinander ins Bett geht und nicht sicher weiß, ob beide gesund sind.  Wenn dann das Argument kommt: Ohne Kondom wäre es doch viel angenehmer, bequemer und man spürt sich doch besser. Ja eh. Aber verantwortungsbewusst ist das nicht.

Man muss nur nach Lateinamerika, Afrika oder in die USA schauen.
Die Situation ist dort ja zudem eine viel dramatischere als in Österreich.

Was wir in Österreich nicht vergessen dürfen: Wir befinden uns in einer weltweiten Pandemie. Die Generationen, die jetzt hier leben, kennen nur ein sehr geschütztes Dasein ohne allgemein umfassende Einschränkungen, lediglich individuelle – dass man krank ist, kein Geld, keine Arbeit hat oder ein Beziehungsproblem. Aber dass wir alle, eine Gesellschaft, ein massives Problem haben, das kennen wir nicht. Im Prinzip haben wir das in der Klimakatastrophe auch, da sieht man es nicht nur nicht so klar wie jetzt in der Pandemie. Man kann nicht einfach so weitermachen wie zuvor. Der Wunsch, diese extreme Sehnsucht danach, dass alles wieder so ist, wie es war, und die ich auch habe, ist nachvollziehbar. Aber sie ist nicht rational. 

Wie beeinflussen die Pandemie und die Erfahrungen daraus das Schreiben von Geschichten?

Ich denke, entweder man entscheidet sich dafür, jetzt eine Geschichte zu schreiben, die sich explizit mit der aktuellen Situation beschäftigt, in einer Pandemie zu leben. Es ist aber schon auch die Frage, ob wir in den nächsten Jahren lauter Corona-Geschichten sehen wollen. Ich glaub nicht.  Wenn man mitten in einem Projekt steckte, als das alles über uns hereingebrochen ist, kann man ja auch hinterfragen:  Wie lasse ich Entwicklungen, die jetzt in den Fokus gerückt sind, anders einfließen? 

Etwa die bereits angesprochenen Verschwörungstheorien?

Genau. Die gab es vorher schon, aber sie waren nicht so präsent und beängstigend, weil es noch keine Querfront gab, also Linke und Rechte, ImpfgegnerInnen und Verschwörungstheoretiker, die gemeinsam demonstriert haben.

Ihre Covid-19-Erkrankung hat sich auf Ihre Fähigkeiten ausgewirkt, zu Riechen und zu Schmecken.
Geht es Ihnen hiermit schon besser? 

Es wird besser, aber beides ist noch sehr beeinträchtigt. Auch sonst kann ich bestätigen, was über den Verlauf der Krankheit berichtet wird: Wenn man sich an einem Tag besser fühlt, kann es sein, dass es am nächsten wieder schlimmer ist. Insgesamt ist es anstrengend, langwierig und ich kann zudem bestätigen, dass das Virus an verschiedenen Stellen des Körpers aktiv ist.

Am Beginn der Pandemie hatte man ja die weitläufige Vorstellung, dass ein Covid-19-Infekt mit einem sehr starken grippalen Infekt zu vergleichen wäre. Hatten Sie denn jemals eine ähnliche Krankheit, während der es Ihnen ähnlich schlecht ging?

Nein, überhaupt nicht. Die Krankheit hat ja auch, von ihrer Veranlagung her gar nichts mit einer Grippe zu tun. Die Beeinträchtigung von Riechen und Schmecken ist neurologisch bedingt. Ich habe auch keine Vorerkrankungen und kann nichts Vergleichbares berichten. Es fühlt sich überhaupt nicht wie eine Grippe an. Es ist ja jetzt auch klar, dass die Krankheit Betroffene sehr unterschiedlich erfasst – an der Lunge oder im Herzen, an den Nieren. Was sie stark unterscheidet und man merkt, ist die Tatsache, dass es kein Medikament dagegen  gibt. Man kann nirgendwo zentral dagegen ansetzen. Das Immunsystem ist einfach damit beschäftigt, die Gesundheit wieder herzustellen. Ich hatte etwa wahnsinnige Kopf- und Gliederschmerzen. Dagegen kann man Medikamente nehmen. Sie behandeln die Symptome, aber nicht die Ursache.

Das hört sich sehr beängstigend an.

Ich glaube, das Schwierige war und ist, dass man dabei in Quarantäne ist. Das bedeutet, allein zu sein. Normalerweise geht man, wenn man sich krank fühlt, zum Arzt, genau das ging nicht und das Wissen, dass es ohnehin kein Medikament gegen das Virus gibt, das war sehr anstrengend. Sehr angenehm war, dass mich eine Amtsärztin angerufen hat, die mich gefragt hat, wie es mir geht, als ich auf das Testergebnis gewartet habe. Das ist sehr gut organisiert. Ich wusste auch, dass ich jederzeit 144 anrufen kann, wenn es schlechter wird. 

Aber?

Wie aus den Krankenhäusern berichtet wird, kann die Sauerstoffsättigung schon extrem schlecht sein, während die Atembeschwerden noch gar nicht so schlimm sind. Dann kann es sehr schnell gehen, dass man beamtet werden muss. Das war bei mir Gott sei Dank nicht der Fall. Aber die Situation, dass man in Quarantäne nicht sagen kann, wie schlecht es einem tatsächlich geht, und man sich fragt, wie man das selbst überhaupt einschätzen kann, war nicht leicht.

Wann haben Sie gespürt: Die Krankheit, die ich habe, das könnte ein Covid-19-Infekt sein?

Zuerst habe ich überhaupt nicht daran gedacht. Ich habe mich einfach krank gefühlt. Am 16. März ging es mir nicht sehr gut. Dann war’s wieder besser und ein paar Tage später, am 21. März, habe ich von einem auf den anderen Moment nichts mehr gerochen und geschmeckt. Es war nicht wie bei einem Schnupfen, wenn die Nase verlegt ist. Die Nase war okay, ich habe Luft bekommen, nur die Sinne waren einfach weg. Da dachte ich aber auch noch nicht an Covid-19. Ich wusste damals auch noch gar nicht, dass das ein Symptom ist. Ich dachte, ich hätte vielleicht einen Schlaganfall. Dann habe ich im Netz zufällig gelesen, dass es doch eines ist. Da dachte ich mir: Oh, jetzt rufe ich bei der Corona-Hotline 1450 an. Ich habe dann extra noch eine Gewürznelke zerbissen, um wirklich sicher zu sein, dass ich mir das nicht einbilde.

Hatten Sie davor Kontakt mit Menschen aus einem stark betroffenen Gebiet?

Ich bin in einer Besprechung mit jemandem gewesen, der in Ischgl gewesen ist. Ich hatte meine Krankheit davor aber nie auf dieses Treffen zurückgeführt.

Was ist nach Ihrem Anruf bei 1450 passiert?

Ab dann war ich in Quarantäne. Ich habe eine Handy-App bekommen, um meine Symptome zu protokollieren. Dabei hat man auch einen Button mit einer direkten Verbindung zu 144.

Sie haben Ihre Erfahrungen auf Ihrem Facebook-Profil geteilt.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, das auch öffentlich zu machen?

Am Abend des 23. März um 17.50 Uhr, zehn Minuten vor Geschäftsschluss, habe ich wahnsinnige Kopfschmerzen bekommen, ganz extreme, wie ich sie noch nie in meinem Leben hatte. Weil ich ja nicht raus durfte, habe ich bei meiner Apothekerin angerufen. Sie hat sofort gesagt, dass sie mir Medikamente vorbei bringt. Sie hat sie mir dann in den Lift gelegt und rauf geschickt. Ich wollte das, was sie Tolles für mich getan hat, als Post öffentlich machen, weil ich mich einfach bei ihr bedanken wollte. Und um zu zeigen, wie super das ist, wie alle gerade zusammenhalten. Am nächsten Tag hatte ich unglaublich viele Rückmeldungen und Reaktionen, in denen auch stand, dass ich die erste bin, die viele kennen, die Covid-19 hat, und beschreibt, wie es sich anspürt. 

Das hat Sie motiviert, Ihr Wissen weiter zu teilen?

Ja, ich wollte das sehr dosiert fortsetzen. Ich habe dann, als die Tester gekommen sind und später die Testergebnisse, ein bisschen davon erzählt, wie ich das erlebt habe.  Zum Beispiel, dass die Tester damals rund um die Uhr gearbeitet haben und dabei nicht aus ihrer Schutzkleidung raus gekommen sind. In dieser Aufregung darüber, was alles schief geht, wollte ich zeigen, was gut läuft. Ich dachte, so könnte ich einige der Fragen, die damals auf Facebook kursierten, beantworten, und auch meine politische Haltung zu all dem zum Ausdruck bringen.

INFOS ZU FILM UND REGISSEURIN/DREHBUCHAUTORIN 

Der Film: „Womit haben wir das verdient?“ handelt von einem geschiedenen Wiener Paar, deren 16-jährige Tochter plötzlich nach islamischen Glauben lebt. Den Vater gibt Simon Schwarz. Heute ist der Kino-Erfolg um 20.15 Uhr auf ORF eins zu sehen.

 

Eva Spreitzhofer: 1967 in Graz geboren, lebt in Wien, zwei Töchter (geboren 1998 und 1999), Regisseurin, Drehbuchautorin, Schauspielerin.  

 

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2  Kommentare
2  Kommentare
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ichauchnoch (9.778 Kommentare)
am 05.06.2020 10:54

Na ja, jeder wie er meint, ich meine aber, dass man eine Krankheit nur dann mit einer anderen Krankheit vergleichen kann, wenn man beide gehabt hat.
Und das alte Problem, man darf halt einen grippalen Infekt nicht mit der echten (der bösen) Grippe verwechseln.

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lndsmdk (17.215 Kommentare)
am 05.06.2020 10:38

Millionen Tests auf einmal....

Berliner Forscher: So stoppen wir Corona ohne Impfstoff!
25.05.20, 06:39 Uhr | Von Torsten Harmsen

https://www.berliner-kurier.de/politik-gesellschaft/berliner-forscher-so-stoppen-wir-corona-ohne-impfstoff-li.84306

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