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Entzauberung von Brahms und Bruckner

Von Michael Wruss   26.September 2020

Wir schreiben das Jahr 1877 und zwei große Symphonien der bedeutendsten Komponisten, die in der Kaiserstadt Wien leben, werden im Dezember uraufgeführt. Unterschiedlicher könnten die Reaktionen kaum sein. Brahms’ "Zweite" wurde hymnisch gefeiert, während man mit Bruckners "Dritter" nichts anzufangen wusste. Am Donnerstag stellte das Bruckner Orchester unter Markus Poschner beim Brucknerfest – und gleichzeitig als erstes Konzert im Großen Abonnement – diese Werke gegenüber.

Zwei Werke, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten und sich doch der gleichen Klangwelt bedienen, dieselben Instrumente verwenden und sowohl "wissenschaftliche" Lektüre mit Tiefgang als auch überbordende Emotionalität aufbieten. Das zu zeigen, gelang deshalb, weil Markus Poschner beide Werke entzaubert, sie ihrer traditionellen Sichtweise beraubt und dafür ein klareres Bild zeichnet, das sein Fundament im Notentext findet. Kein mystischer Bruckner, der Wagner anhimmelt, und kein Brahms, der in romantischen Klangbächen dahinplätschert.

Musik, die einfach mitreißt

Ganz im Gegenteil. Bruckner bekommt jenen Fluss, den diese Musik nicht nur braucht, sondern der einfach in ihr steckt. Jene Direktheit einer musikalischen Klangrede, die sich nicht gedankenfaselnd im Nirvana esoterischer Götzenanbetung verliert und wie eine Zeremonie zelebriert werden muss. Vielmehr liest Markus Poschner ein urwüchsiges Musikantentum heraus, das in der Tradition seine Wurzeln hat. Musik, die einfach mitreißt. Genauso bei Brahms, dessen zweite Symphonie scheinbar verhalten beginnt, den Hörer auf eine subtile Klangreise führt, mit dem Orchester neue Welten betritt, dies aber vornehm zurückhaltend – und doch stetig wachsend, bis im Finale alle Grenzen niedergerissen werden. Die anfänglich akademisch exakte Lektüre scheint zu explodieren und wächst im jauchzenden Seelentaumel zu ausgelassen rhythmisch überpointierter Geschäftigkeit.

Hier zeigt sich wieder, dass akribisches Analysieren des Texts mit dem Mut, auch neue Wege zu beschreiten, zu einem berauschenden Ziel führen. Wenn man dann noch das Orchester von dieser Sichtweise überzeugen kann, und es bereit ist, alles zu geben, dann erlebt man – wenn auch vielleicht vom Publikum nicht überwältigend bejubelt – eine Sternstunde!

Fazit: Ein fulminanter Auftakt der Abo-Konzerte im Brucknerhaus

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28. März 2024