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Ein Nesthocker im Dauer-High

Von Nora Bruckmüller, 31. Juli 2020, 14:58 Uhr
The King of Staten Island, Pete Davidson
Bild: UPI

Kino: "The King of Staten Island", die neue Tragikomödie von Judd Apatow ("Beim ersten Mal"), ist ein herrlich schräges, bittersüßes Vergnügen

Er kifft. Er lebt mit 24 Jahren noch immer bei seiner Mutter Margie (Marisa Tomei). Und er
verfolgt seinen Traum, Tätowierer zu werden, mit dem Elan, den Betrunkene an den Tag legen,
wenn sie nach Mitternacht beschließen, selbst ein Beisl zu eröffnen  – eher keinem.

Scott Carlin, Protagonist der neuen Tragikomödie von US-Regiestar Judd Apatow, die den höchst ironischen Titel „The King of Staten Island“ trägt, ist ein Nesthocker. Aber nicht einer, wie man ihn aus lebendig-lauten Italo-Filmen kennt. Vielleicht noch ein bisschen so, wie ihn Apatow  in „Beim ersten Mal“ („Knocked Up“, 2007) mit Seth Rogan an der Seite von Katherine Heigl gezeichnet hat –  ein verschrobener Außenseiter der Post-Adoleszenz im Dauer-High, der kurz davor steht, seine Zukunft zu versemmeln.   

Doch anders als diese Kiffer/Romantik-Komödie ist „The King of Staten Island“ von einer tragischen, nach bitterer Realität schmeckenden Wucht getragen.

Der lange Schatten in einem jungen Leben

Hauptdarsteller Pete Davidson legte sein autobiografisches Leid der Handlung zugrunde.
In Europa ist der 26-Jährige wenig bekannt, in den USA aber ist er ein Star der jüngeren Generation. Er war der erste in den 1990er-Jahren geborene Komiker, der das Flaggschiff der amerikanischen Comedy-TV-Shows enterte: das legendäre Format „Saturday Night Live“. Mit sieben Jahren verlor Davidson seinen Vater. Als Feuerwehrmann (Ladder Company 118, Brooklyn Heights) versuchte dieser am 11. September 2000 Menschen aus dem Marriott Hotel im World-Trade-Center-Komplex zu retten. Die einstürzenden Türme kosteten ihm sein Leben.

Wie Pete ist Scott in Staten Island aufgewachsen, das sich zum Big Apple ungefähr so verhält
wie Amstetten zu Wien. Und wie Pete hat Scott seinen Vater, einen Feuerwehrmann, am 9. September verloren. Seitdem scheint es, als würde ihn das unüberwindbare Trauma festhalten.

Nichtsdestotrotz: Auch wenn man dem schrulligen Scott mit Empathie begegnet, muss man ehrlich sein. Man würde ihn, wie die herrliche Tomei als Mama, gerne ordentlich durchschütteln, um dieses Mannskind in die Spur zu bringen. Denn so einfach wie man ihn mögen kann, so einfach geht er einem Dank Apatows gekonnter Figurenzeichnung auch auf die Nerven.

Dann schlägt ohnehin das Leben zu. Seine Schwester, Apatows Tochter Maude, verlässt das Haus und geht an die Uni. Seine Mutter verliebt sich neu – ausgerechnet in einen Feuerwehrmann. Für Scott fühlt sich das an, als würde man Salzsäure in seine Wunden träufeln.

Lakonisch, zynisch, derb, frech

Doch diese Tragödie des Erwachsenwerdens vereinen Davidson und Apatow mit einer schön-schrägen Komödie, die Dialoge tragen, wie man sie sonst kaum im Kino hört: zutiefst ironisch, lakonisch, witzig, weise, altklug, unfassbar ehrlich, immer wieder derb, doch nie fad. Veredelt mit richtiger guter Musik – von John Fogertys „Down On The Corner“ („Creedance Clearwater Rivial“)
bis „Scar Tissue“ von den Red Hot Chilli Peppers –, allerhand Popkultur („Game Of Thrones“, „The Shining“) und dem immer großartigen Komödianten Steve Buscemi in einer Nebenrolle. Für den „Armageddon“-Star war das wohl Ehrensache. Bis 1984 arbeitete er selbst als Feuerwehrmann in
New York und kehrte am 11. September in seine frühere Wache zurück, um zu helfen.

Bei all der schrulligen Strahlkraft und seinem Witz ist „The King of Staten Island“ dennoch ein  wichtiger Beitrag des Kinos zum Gedenken an das Welttrauma 9/11. Wie seine Ex-Verlobte, Pop-Star Ariana Grande, die nach einem Terroranschlag während ihres Konzerts in Manchester 2017 ihre posttraumatischen Belastungen öffentlich gemacht hat, geht auch Davidson offen mit seiner psychischen Erkrankung um, einer bipolaren Störung um. Sie wollen Tabus brechen.

Somit steht „The King of Staten Island“ für eine gute, junge Generation, die Schmerz, Kultur und Realitätssinn vereint, und den in der Corona-Zeit so wichtigen Glauben ans gute Weiterleben stärkt.

Die schönsten, zärtlichsten Szenen mit Scott sind schließlich jene, in denen er die Kinder des neuen Lebensgefährten seiner Mutter in die Schule bringt. Ganz natürlich ist er den Kleinen zugewandt, begegnet ihnen auf Augenhöhe und führt sie an der Hand. Der junge, schräge Mann, der ohne Vater auskommen muss, hat doch das Zeug dazu, selbst ein guter Vater zu werden.

"The King of Staten Island":
USA 2020, 136 Min., Regie: Judd Apatow
fünf von sechs Sternen 

Jetzt im Kino 

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1  Kommentar
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Gugelbua (31.930 Kommentare)
am 31.07.2020 16:17

Meine Güte sind die Tattoos echt oder aufgemalt, die Typen werden immer kränker 😁

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