Ein gewagtes Werk holte Locarnos Goldenen Leoparden
Der brasilianische Film "Regra 34" über Sex und Missbrauch siegte beim Schweizer Filmfest, der Umweltpreis ging nach Österreich
Der Spielfilm "Regra 34" ("Regel 34") der brasilianischen Filmemacherin Julia Murat hat beim 75. Film Festival Locarno den Goldenen Leoparden gewonnen. Es ist ein Film über die Omnipräsenz von Sex und über seine Regeln. Überreicht wurden die Preise Samstagabend bei der Festivalabschlusszeremonie auf der Piazza Grande.
Julia Murat (42) reflektiert die oft gewagte Aussage, dass es von allem, was man im Internet findet, auch eine Pornoversion gibt. In ihrem dritten Spielfilm geht sie dabei der Frage nach, wie Lust, Freiheit und Schutz vereinbart werden können. Konkret handelt das Drama von einer Jusstudentin (23), die tagsüber Frauen in Missbrauchsfällen verteidigt und nachts vor einer Live-Sex-Cam auftritt. Giona A. Nazzaro, künstlerischer Leiter des Festivals, sprach von einem "gewagten, politischen Werk, das ein wichtiges Zeichen setzen wird". Für seinen Film "Matter out of Place", in dem er bildgewaltig schildert, wie unser Planet langsam mit den Müllbergen des Menschen verwächst, erhielt der Wiener Regisseur Nikolaus Geyrhalter (50) zwar nicht den Goldenen Leoparden, dafür aber den Umweltfilm-Preis Pardo Verde WWF, eine grüne Version des Hauptpreises. Die internationale Fachpresse lobte "den faszinierenden und auf seltsame Weise auch wunderschönen Film" (US-Branchenblatt Variety).
Eine zweite österreichische Wettbewerbs-Produktion, das Glaubensdrama "Serviam" der Wienerin Ruth Mader (48), das von Druck und Gewalt in einer Klosterschule handelt, ging leer aus.
"Tengo Suenos Electricos", ein Familiendrama der französisch-costa-ricanischen Regisseurin Valentina Maurel (34), holte drei Preise. Maurel wurde für die beste Regie ausgezeichnet, ihre Hauptdarsteller Daniela Marín Navarro und Reinaldo Amien Gutiérrez als beste Schauspielerin und bester Schauspieler. Der Vater-Tochter-Film handelt von einer 16-Jährigen, die zwischen der Scheidung ihrer Eltern und ihrer erwachenden Sexualität hin- und hergerissen ist.
Das heurige Festival wurde von 128.500 Zuschauern besucht, das entspricht einem Zuwachs von gut 60 Prozent gegenüber 2021. Demnach besuchten 56.500 Zuschauerinnen und Zuschauer die Piazza Grande und 72.000 die Kinosäle in der Stadt. Nach zwei Jahren Pandemie konnte die 75. Ausgabe des bedeutendsten Schweizer Filmfestivals weitgehend unbeeinträchtigt durchgeführt werden. (nb)