Gelungene Premiere der Opern "Cavalleria Rusticana/Pagliacci" im Musiktheater Linz

Eifersucht und noch viel mehr die in einer einfachen Gesellschaft manifestierte Unfähigkeit, damit gewaltfrei umzugehen, sind Themen der häufig miteinander kombinierten kurzen Opern "Cavalleria Rusticana" von Pietro Mascagni und "Pagliacci" von Ruggero Leoncavallo, die am Samstag nach rund 20 Jahren eine Neuinszenierung erlebten.
Regisseurin Alexandra Liedtke interessiert dabei die scheinbar unweigerlich an nachfolgende Generationen weitergegebene Lösung zwischenmenschlicher Konflikte durch Rache, Gewalt und Mord. So führt sie als stumme Rolle Lolas Sohn ein, der das Messer, mit dem sein Vater Alfio den Nebenbuhler Turiddu ins Jenseits befördert, bewundernd an sich nimmt und so die blutige Problemlösungskompetenz quasi vererbt bekommt.
In "Cavalleria" ist es Mord am sexuellen Rivalen, in "Pagliacci" kommt der Femizid dazu, was wohl aktueller nicht sein könnte. Szenisch stopft Alexandra Liedtke ihre Protagonisten in enge Schachteln: Räume, die sowohl die scheinbar traditionellen Werten folgenden Zwänge symbolisieren als auch die Gefangenheit der Protagonisten in ihrer begrenzten, stark patriarchalischen Lebenswelt. Dazu kommen strenge, religiös begründete Moralvorstellungen.
Das führt in der sehr abstrakten Szene von Raimund Orfeo Voigt zu einer vollkommenen Entzauberung des Verismo, die durch die sehr realistischen Kostüme (Su Bühler) etwas abgemildert ist. Als würde man traditionelle Passionsspiele in einer nüchternen Lagerhalle ablaufen lassen.
Nicht alles, was zu sehen ist – so ein ebenfalls von der Regie eingeführtes Paar, das sich während der Osterprozession die Kleider vom Körper reißt und dann mit Lamm und Kreuz vor einer lebendigen Blaumantelmadonna liegt – ist logisch nachvollziehbar, stört aber die sonst stringent und in manchen Szenen bestechend inszenierte Handlung nicht. In dieser Hinsicht ist "Pagliacci" insgesamt etwas eindrücklicher gelungen, weil hier der Fokus noch mehr auf die zentralen Figuren gelegt wurde und das Spiel im Spiel vieles von selbst geschehen lässt.
Die musikalische Seite wird von Enrico Calesso angeführt, der mit dem fein disponierten Bruckner Orchester die Partitur genau gelesen hat und somit liebgewordene Traditionen, die nie in den Noten gestanden haben, eliminiert. Das ist auf der einen Seite gut, geht aber insofern nicht immer auf, weil – und das betrifft auch den Chor – die dynamisch explosiven Stellen zwar ihr Optimum erreichen, die lyrisch zarten in ihrer klanglichen Qualität jedoch nachschärfbar wären. So z. B. der auch intonationsmäßig verwackelte Beginn des "Regina coeli" in der "Cavalleria", das sich zwar beeindruckend steigert, aber am Anfang seine die scheinbar heile Welt des Glaubens repräsentierende Wirkung purer klanglicher Schönheit eher verfehlt.
Bei den Solisten sticht Sung-Kyu Park, der in beiden Opern die tenorale Hauptpartie singt, beeindruckend heraus, wobei ihm der Canio noch mehr liegen dürfte als der zum Schluss nach der Mamma rufende "Loser" Turiddu. Seine Stimme scheint keine Grenzen zu kennen und strahlt über alles hinweg, doch auch bei ihm fehlt, was dem ganzen Abend ein wenig gefehlt hat – das lyrische Moment. So ist auch Elena Batoukova-Kerl eine starke Santuzza, wenn es darum geht, Rache zu fordern und die Extreme der Rolle auszuloten, aber eher zurückhaltend, wenn es darum geht, Turiddu zu umgarnen. Erica Eloff ist eine fabelhafte Nedda, die sich einerseits im zweiten Akt als veritable Komödiantin zeigt, aber auch im "realen" Leben echten Verismo versprüht. Und das auch mit vielen lyrischen Momenten in der Stimme.
Adam Kim verkörpert beide baritonale Hauptfiguren, wobei ihm dabei – nicht nur wegen eines grandios gesungenen Prologs – der Tonio nähergestanden haben mag als der Alfio in "Cavalleria": auch hier ein feines stimmliches Rundum-Sorgenlos-Paket. Christa Ratzenböck beeindruckt als Mamma Lucia, Angela Simkin als Lola, Matthäus Schmidlechner begeistert als komischer Peppe und Alexander York als eindringlicher Silvio.
Insgesamt ein szenisch einwandfreier, wenn auch nicht sensationeller Wurf, der durch eine effektvolle, das Lyrische ein wenig aussparende musikalische Seite ideal ergänzt wird.
Fazit: Gelungene und zu Recht viel beklatschte Neuinszenierung zweier Opernklassiker.