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"Dylan ist so gut, dass er mir richtig Angst macht"

Von Lukas Luger   17.Oktober 2020

So schön kann Liebeskummer klingen: Auf ihrer neuen CD "Album No. 8" verarbeitet Katie Melua das Ende ihrer Beziehung. Über die Liebe, Bob Dylan und ihre Fahrkünste spricht die Britin mit georgischen Wurzeln im OÖN-Interview.

OÖN: Abgesehen vom Aufnehmen eines Albums, welche neuen Hobbys haben Sie sich während des Lockdowns zugelegt?

Katie Melua: Ich habe endlich ordentlich Autofahren gelernt (lacht). Wir hatten Proben im August angesetzt. Da meine Band und ich eine "Corona-Bubble" bildeten, durften wir nicht getrennt mit Taxi oder U-Bahn zum Proberaum fahren. Zwei Wochen habe ich mich zur Stoßzeit durch den hektischen Londoner Verkehr gequält, um die anderen aufzulesen. Mit dem Auto bin ich immer gerne gefahren – dank Corona kann ich jetzt es aber richtig. So cool wie ich jetzt hinterm Steuer bin, war ich noch nie.

Bob Dylans Autobiografie "Chronicles" war ein wichtiger Einfluss für Ihr neues Album. War dies ein spontaner Impulskauf oder der Versuch, sich so in "Songschreibe-Stimmung" zu versetzen?

Es war keine bewusste Entscheidung. Eine befreundete Musikerin hat mir "Chronicles" empfohlen. Ich bin eine riesige Dylan-Bewunderin, aber irgendwie habe ich mich gefürchtet, sein Buch tatsächlich zu lesen. Dylan ist so gut, dass er mir richtig Angst macht. Das Buch war eine Offenbarung. Seine Schonungslosigkeit, die unzähligen Referenzen, all die tollen Musiker, die er darin erwähnt – ich war beim Lesen hin und weg. "Chronicles" ist die beste Einführung in die Welt der Folkmusik, die es geben kann.

Was an den Songs von Größen wie Woody Guthrie oder Hank Williams, die Bob Dylan prominent erwähnt, hat Sie fasziniert?

Diese Songs leben nicht von einer gefinkelten Produktion, sondern von der Kunst des Erzählens. Es sind einfache Geschichten über einfache Menschen. Dabei schwingt stets ein sehr trockener und bodenständiger Witz mit. Selbst wenn der Protagonist des Liedes gerade von seiner wunderschönen Geliebten ermordet oder eine mysteriöse Frau ertränkt wird. Niemand jammert. Niemand gibt dem Opfer die Schuld. Im Leben können viele Tragödien passieren. Es liegt aber nur an dir selbst, ob du daraus eine Seifenoper machst oder nicht. An dieses Motto habe ich mich auch für meine neuen Songs gehalten.

Neue Lieder wie "Airtime", "Remind Me to Forget" oder "A Love Like That" thematisieren offen Trennung, das Ende der Liebe. Sie haben eine Scheidung hinter sich. Steckt also ein kleines Körnchen Wahrheit im Klischee, dass Herzschmerz Kreativität befeuert?

Meine Theorie ist: Wenn dein Herz gebrochen wird, lenkt dich das vom Schmerz des Kreativseins ab. Meine größte Qual im Leben ist das Schreiben und Komponieren von guten Songs. Dafür lebe ich. Dafür bin ich auf der Welt. Das ist es, was mich nachts wachhält. Diese starke Fokussierung endet abrupt, wenn der Herzschmerz dich trifft. Du denkst nicht mehr über die Kunst nach. Sondern darüber, was du falsch gemacht hast, was in deiner Beziehung schiefgelaufen ist, wie es weitergehen soll. Wenn du dich wieder an deine Arbeit, ans Songschreiben, machst, werden all diese wilden Emotionen, die du sonst beim Komponieren erlebst, durch das Drama in deiner realen Welt auf ein normales Level abgeschwächt. Und plötzlich gehen dir die Songs leichter von der Hand.

Einer der stärksten neuen Songs ist "Leaving The Mountain". Welche Geschichte steckt dahinter?

Dieser Song ist eine Art Schnappschuss. Mein Vater und ich waren gemeinsam in unserem Geburtsland Georgien auf Urlaub. Etwas, das wir sonst nie machen. Die gemeinsame Zeit war wirklich wunderbar. Doch fühlte ich mich innerlich hin- und hergerissen zwischen diesem Urlaub, der nie enden sollte, und dem in mir aufkeimenden Wunsch, wieder nach England zu fahren, um an neuen Liedern zu arbeiten. Es schien, als würde mich das Leben zerreißen wollen. Und all dies passierte inmitten der surrealen Berglandschaft Georgiens.

"Maybe I Dreamt It" ist eine musikalische Hommage an die weltberühmte deutsche Choreografin Pina Bausch. Woher speist sich Ihre Bausch-Faszination?

Als junge Frau dachte ich viel darüber nach, was ich mit 40, 50 oder 60 Jahren machen würde. Es war komisch: Fast alle der Künstlerinnen, die ich bewunderte – Joni Mitchell, Kate Bush, Bobbie Gentry –, zogen sich irgendwann komplett aus dem Geschäft zurück. Etwas, das ich auf keinen Fall vorhabe. Auf der Suche nach einem älteren Vorbild stieß ich auf Pina Bausch. Die Liebe, Energie und Disziplin, mit der sie ihre Arbeit anging, inspirieren mich. Ich sah einen Clip, in dem sie ein Pferd in ihr Tanzstudio brachte und in die Choreografie integrierte. Es war magisch! Im Interview meinte sie danach, ihre Zigarre rauchend, nur lächelnd: "Vielleicht habe ich das geträumt." Daher der Songtitel.

CD-Kritik

Nein, Katie Meluas „Album No. 8“ (Warner) ist keine epochale, waidwunde Trennungsplatte wie Bob Dylans „Blood On The Tracks“ geworden. Die zehn neuen, ihr Ehe-Aus verhandelnden Songs, pendeln aber stilsicher zwischen streicherverziertem Sixties-Pop, zarten Folksongs und jazzig angehauchten Balladen. Die Arrangements sind unfassbar schön, die Melodien ebenso eingängig wie gefinkelt. Herzschmerz als edles Hörvergnügen. Anspieltipps: „A Love Like That“, „Joy“, „Leaving The Mountain“, „Airtime“.

OÖN-Bewertung: 5 von 6 Sternen

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17. April 2024