Dieses Musical ist eine verrückt-frivole Wucht
Begeisternde Premiere von "Rocky Horror Show" in Amstetten
Zu 70 Prozent Mann, zu 30 Prozent Frau – so empfindet sich der 1942 geborene Brite Richard O’Brien heute. Es hat mehr als 45 Jahre seit der Entstehung seines Werkes "Rocky Horror Show" gedauert, das zuerst als Musical, dann als Kinofilm Kult wurde, bis Selbstdefinitionen wie diese kaum mehr Entrüstungen auslösen. Zumindest keine globalen.
Für "Rocky Horror Show" schöpfte die bisexuelle Branchengröße aus dem doch so aufregenden "Schund" der 1970er, um ihn den konservativen Kräften grotesk-komisch überhöht um die Ohren zu schmeißen.
In Amstetten, wo die "Rocky Horror Show" am Mittwoch beim Musicalsommer Premiere in der Johann-Pölz-Halle feierte, hat man eine im besten Sinne wuchtvolle Produktion geschaffen, die – man sollte es gar nicht glauben müssen – weiter an O’Briens Erbe feilt, dem Abbau verkopfter Ansichten zu sexueller Freiheit. In der Regie von Alex Balga ist ein pulsierendes Gesamtkunstwerk entstanden, das es versteht, sich genau darin auszuleben, worin seit jeher die Güte des Stücks liegt – in der in allen Sparten gefeierten Lust (am Leben). Die mit ihrer Dauer abhebende Geschichte war ja nie ein dichter Knüller.
Der Prachtkerl aus dem Labor
Das brav verstockte Paar Brad (Simon Stockinger) und Janet (Glenna Weber) landet ungewollt im Schloss von Frank’N’Furter, der mit seiner Bagage, angeführt von Riff Raff (Filippo Strocchi) und Magenta (Katja Berg), beide in Versuchung führt, vor allem mit seinem von ihm im Labor erschaffenen Prachtwesen Rocky (Malcolm Q. Henry). Diese simple Geschichte wiegt Balga mit all dem auf, was sein Genre zu bieten hat – mit einer energischen Choreografie (Jerôme Knols), Musik (Christian Frank), die nicht nur beim Hit "Time Warp" richtig fetzt, einer zunächst klein anmutenden Bühne mit Catwalk, die Bühnenbild, Video und Licht über sich hinauswachsen lassen.
Frei nach dem Motto des Paradiesvogel-Sängers Liberace ist eben auch in Amstetten "zu viel des Guten wundervoll". Dazu ist stellvertretend für eine grandiose Ensembleleistung Gino Emnes als Frank’N’Furter zu nennen. Er ist wie die Produktion selbst: ein nicht endend wollendes Ereignis des verrucht Reizenden, das sich nur ganz selten Leerlauf gönnt.
Emnes spielt mit androgyner Kraft, als würde Grace Jones auf Prince treffen, schnurrt wie ein Katzerl, pfaucht wie ein Puma und singt, als hätten sich Reibeisen und Goldkehlchen gepaart wie Genie und Wahnsinn in seiner Figur: im perfekten Maß wild.
Fazit: Ein aufregendes, sexy Musical, das überrascht wie mitreißt.
Termine: bis 17. 8., Info/Karten: musicalsommeramstetten.at