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Die Versprechen von Kohle und Koks sind ein Märchen

Von Peter Grubmüller, 14. Oktober 2019, 00:04 Uhr
Die Versprechen von Kohle und Koks sind ein Märchen
Christian Higer (Mitte, Julius von Flottwell), ist dann am besten, wenn er zweifelt. Bild: Herwig Prammer

Schauspielhaus: "Der Verschwender" nach Schmiedleitner, nicht nach Raimund.

An Ferdinand Raimunds Zaubermärchen "Der Verschwender" muss niemand intellektuell herumschrauben. Der Biedermeier-Erfolg erfährt seine Gültigkeit aus der ihm eingeschriebenen Attacke gegen die Hoheit des Geldes. Heute sagen wir Turbokapitalismus dazu, was sich metastatisch im gesellschaftlichen Organismus verästelt hat. Der für so manche glückliche Theaterstunden verantwortliche Regisseur Georg Schmiedleitner hat das Ende seines Verschwenders bei der Premiere am Samstag im Linzer Schauspielhaus nur auf den ersten Blick unglücklich werden lassen. Anstatt Gold wie bei Raimund erhält der reiche Edelmann Flottwell vom Bettler, der zugleich als dienstbarer Geist Azur der Fee Cheristane herumspukt, eine Mütze voller Sand zurück. Wer sein Geld um den Willen des Leichtsinns und um der Not, geliebt zu werden, verschleudert, der wird bestraft. Vergebung spielt es in dieser Theater-Realität nicht. Oder doch: weil am Ende alle ebenbürtig Mittellosen einander auf Augenhöhe wertschätzen.

Florian Parbs hat eine prächtige Villa auf die sich sanft drehende Bühne gestellt: Glanz des Erfolgs und menschliche Abgründe in edler Architektur. Schmiedleitner bahnt die hirnlose Gönnerhaftigkeit des von Cheristane zum Reichtum geleiteten Flottwell (Christian Higer) einladend an: Er lässt Higer in Unterhosen über Publikumssitze bis zur Bühne klettern. "Guten Morgen" wünscht er jedem, als sei die Welt aus der Betäubung des Geldes aufzuwecken. Doch noch dämmert Flottwell selbst verblendet in einem Himmel aus Kohle und Koks dahin. Higer muss sich im Gestrüpp der zweifelhaften Sinnlichkeit des Überflusses wie ein "Jedermann"-Double erst selbst finden. In später Erkenntnis läuft er zur großen Klasse auf.

Dass es Raimund ist, der hier gespielt wird, daran erinnern Flottwells Diener Valentin (herausragend: Julian Sigl), der Tischler ist und das Hobellied zum Pop-Moritat veredelt – sowie dessen Frau Rosa. Anna Rieser lässt diese Figur vom kichernden Weibchen zur emanzipierten Frau wachsen.

Talentproben der Studierenden

Pianist und Komponist Joachim Werner unterlegt die Szenen live mit einem atmosphärisch grandiosen Klangteppich. Flottwells göttliche Liebe (Cheristane) besetzt Schmiedleitner wie die irdisch angebetete Amalie schlüssig mit derselben Darstellerin. Bruckner-Uni-Studentin Isabella Campestrini beweist dabei wie ihre Studienkollegen Jakob Hofbauer (Diener Fritz/Flitterstein) und Anna Wagner (Dienerin Johanna) Talent.

Helmuth Häusler als Flottwells Kammerdiener Wolf und Günstling des Untergangs seines Herrn offenbart das ärgerliche andere Ende der Ensemble-Perlenkette: Er stellt eine seelen- wie haltungslose Karikatur der Raffgier auf die Bühne. Sein Monolog, der Wolfs Wesen entlarvt, taugt nicht einmal zum Vorsprechen in Schauspielschulen.

Jan Nikolaus Cerha überzeugt als Baumeister und schwul überhöhter Juwelier. Clemens Berndorff doppelt die Rollen des Chevalier Dumont und des Arztes, als würden die beiden ineinander verschwimmen. Horst Heiss unterfüttert gleich drei Rollen mit Glaubwürdigkeit: Baumeister Gründling, Präsident von Klugheim und abgehalfterter Gärtner. Als Azur/Bettler glänzt Vasilij Sotke wie ein leibhaftiger Dämon.

Tierköpfe und Sadomaso-Andeutungen verdunkeln die von Schmiedleitner ausgeheckte Märchenwelt. Weniger wäre hier mehr gewesen, weil Raimund über unsere Verführungen in aller Klarheit Bescheid wusste. Zudem hätten Straffungen im zweiten Akt das Stück flotter werden lassen. Nach zweieinhalb Stunden (mit Pause) neun Minuten satter Premierenapplaus, viele Bravorufe für Higer, Rieser und Sigl.

Fazit: Eine herausfordernde "Verschwender"-Lesart durch Licht und Schatten von Regie-Einfällen. Großartige Bilder, herausragende Bühnenmusik.

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Autor
Peter Grubmüller
Ressortleiter Kultur
Peter Grubmüller
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3  Kommentare
3  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
LiBerta1 (3.293 Kommentare)
am 14.10.2019 08:11

Warum lässt man die Figuren häufig ohne zwingenden Grund in Unterwäsche über die Bühne tanzen?

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brunorisi (128 Kommentare)
am 14.10.2019 10:44

Haben Sie die Vorstellung gesehen LIBERTA1? Es ist schlüssig, warum der Hauptdarsteller so auftrat. Ich finde es immer etwas schwierig, nur aus einzelnen Bildern einen Schluss zu ziehen.

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lurch (37 Kommentare)
am 14.10.2019 16:54

Sie haben recht, es gab hier wirklich fast keinen Grund Unterwäsche zu tragen.
Nackt kann man genauso gut diesen Text vortragen.
Hier war die Unterhose aber nötig um die Geldscheine im Hosenbund zu fixieren.
Vorm kommentieren also besser selbst das Stück ansehen, das Kostüm war nämlich schlüssig.

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