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"Die Rock’n’Roll-Götter scheinen zum Glück auf unserer Seite zu stehen"

Von Lukas Luger   17.Juni 2020

Millionen verkaufte Exemplare, die Spitzenposition der "New York Times"-Bestsellerliste, eine von Reese Witherspoon produzierte Amazon-Serienadaption – mit "Daisy Jones & The Six" hat US-Autorin Taylor Jenkins Reid einen Riesenerfolg gelandet. Jetzt erscheint der so komische wie berührende Roman über eine Rockband in den 70ern, die auf dem absoluten Höhepunkt ihres Erfolgs plötzlich auseinanderbricht, auf Deutsch.

OÖN: "Daisy Jones & The Six" basiert auf den romantischen Verwicklungen und internen Querelen, die Fleetwood Mac während der Aufnahmen ihres 1977 veröffentlichten Welterfolgs "Rumours" durchlitten. Waren es die Songs oder die öffentlich ausgetragenen Streitereien zwischen den Frontleuten Stevie Nicks und Lindsey Buckingham, die Sie zu Ihrer Geschichte inspirierten?

Taylor Jenkins Reid: Es war dieses an eine Seifenoper erinnernde Drama. Wenn zwei Ex-Verliebte Songs über den jeweils anderen schreiben und diese dann singen – das ist Herzschmerz, Drama und öffentlich ausgetragener Beziehungskrach mit einer einzigartigen und faszinierenden Dynamik. In meiner Jugend war ich leidenschaftlicher Fan von Fleetwood Mac. Ich war 13 oder 14, als ich auf VH1 den Mitschnitt ihrer Reunion-Tournee in den 90ern sah. Die Art, wie sich Nicks und Buckingham auf der Bühne anstarrten, all die kleinen Signale, diese fast greifbare erotische Spannung – sogar als Teenager war mir schnell klar: "Oh, die Sängerin und der Gitarrist sind ja ineinander verliebt!"

Die an Stevie Nicks angelehnte Daisy Jones ist wunderschön, talentiert und glamourös. Wie schwer war es, Daisy zu schreiben, ohne sie zu einem wandelnden Klischee zu verkleinern?

Innerhalb des Rahmens des Romans ist Daisy natürlich eine Projektionsfläche für ihre Fans, ein überlebensgroßes Mysterium. Das ist ein wichtiger Teil von ihr, in erster Linie ist sie aber ein Mensch mit realen Sehnsüchten und Bedürfnissen. Was fehlt ihr? Was hat sie gebrochen? Man darf nie der Versuchung erliegen, sie als Ikone zu schreiben, sondern nur als Mensch mit ikonischem Image. Sie hat zwei Seiten – eine öffentliche, eine private –, und meine Aufgabe war es, diese Pole zu verbinden.

Jones’ Konterpart, Billy Dunne, ist hingegen ein hemdsärmeliger Lederjacken-Rock’n’Roller. Stand hier Bruce Springsteen Pate?

Der "Boss" war ein riesiger Einfluss. Seine Autobiografie "Born To Run" kam auf den Markt, als ich in den Vorarbeiten für das Buch steckte. Springsteens Einblicke in die männliche Psyche und das Innenleben einer Band waren Gold wert. Auch mein Privatleben beeinflusste Billys Charakter. Meine Tochter war zu diesem Zeitpunkt drei Monate alt und mein Ehemann stellte sich ähnliche Fragen, wie Billy im Buch dies tut: Was definiert einen guten Vater? Wie viel bist du bereit, für deine Familie zu opfern?

Ihr Buch kommt ohne Erzähler aus, die Geschichte entfaltet sich als "oral history" in Form von Interviews mit den Charakteren. Ein literarisches Stilmittel, um Authentizität vorzutäuschen?

L.A. war in den 70ern ein musikalisches Epizentrum mit Acts wie The Eagles, Crosby, Stills, Nash & Young oder The Mamas & The Papas. Die Geschichten dieser Bands werden heute in TV-Dokus stets als "oral history" erzählt. Das wäre bei "Daisy Jones & The Six", so sie je existiert hätten, genauso. Ich wollte nicht einfach einen Roman über eine Band schreiben, sondern dem Leser das Gefühl vermitteln, hinter den Vorhang einer echten Rock-Combo zu blicken, die Wahrheit hinter der Legende zu erfahren. Außerdem gefiel mir der Aspekt des unzuverlässigen Erzählers. Denn wer behauptet, sich 40 Jahre später noch detailliert an alles zu erinnern, der lügt garantiert.

"Daisy Jones" soll Anfang 2021 als 13-teilige Serie auf Amazon laufen. Produziert hat Hollywoodstar Reese Witherspoon. Wie war’s, als der Anruf kam?

Reese schafft es, wichtige Geschichten von und über starke Frauen zu erzählen und damit viel Aufmerksamkeit zu generieren. Ehrlich, ich könnte nicht glücklicher sein! In die Produktion bin ich nicht involviert. Ich gehe lieber dann zur Premierenfeier (lacht).

Die Hauptrolle spielt Riley Keough, die Enkelin von Elvis Presley. Ein gutes Omen?

Auf jeden Fall! Die Rock’n’Roll-Götter scheinen zum Glück auf unserer Seite zu stehen.

Wissen Sie, ob Stevie Nicks eigentlich Ihr Buch gelesen hat?

Ich weiß es nicht. Wenn es so wäre, würde ich im Boden versinken.

Buchkritik

In „Daisy Jones & The Six“ (Ullstein, 368 S., 20,60 Euro) rollt Taylor Jenkins Reid die Geschichte der gleichnamigen fiktiven Band auf. Was geschah am 12. Juli 1979, als sich die Combo auf dem Höhepunkt ihres Ruhms trennte? Erzählt in Interviewform, beweist Reid nicht nur viel Gespür für die aufgeheizte Atmosphäre der Zeit, sondern auch für die Balance zwischen flottem Humor und bitterem Liebesdrama. Nicht nur Fans von „Almost Famous“ werden dieses Buch lieben. OÖN-Bewertung: 5/6 Sterne

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25. April 2024