Die musikalische Suche nach der Heimat
Das Konzert zum Nationalfeiertag des Johann Strauß Ensembles unter Ingo Ingensand, der heuer seinen 70. Geburtstag feierte, stellte die Frage nach dem Begriff Heimat und jene, wer diesen Begriff für sich in Anspruch nehmen darf.
Denn zwei der Komponisten mussten wegen ihrer jüdischen Abstammung ihre Wiener Heimat verlassen, zwei wurden ob ihrer Musik zu ungewünschten Personen und ihre Kunst als "entartet" gebrandmarkt. Im Zentrum des Abends stand das "Reisebuch aus den österreichischen Alpen", das Ernst Krenek 1929 in Folge einer tatsächlichen Österreich-Tour geschrieben hat. Da sieht man seine Heimatliebe, seine nicht unkritische Sichtweise des Tourismus, aber auch die dunklen Wolken des herannahenden Schreckens.
Walzer in Schönberg-Fassung
Das Besondere an dieser Aufführung war, dass Ingensand Kreneks Klavierpart fein instrumentierte und die dort angelegte klangliche Stimmung treffend verstärkte. Andererseits teilten sich Michaela Selinger und Matthäus Schmidlechner die Gesangspartie, was zu einem spannenden Wechsel von Klangfarbe und Sichtweise führte. Dazwischen unbestrittener Heimat-Walzer von Johann Strauss, aber in der Fassung für Streichquartett, Klavier und Harmonium, die Arnold Schönberg und seine Schüler Anton von Webern und Alban Berg 1921 erstellten. Jede für sich eine sinnliche Entdeckungsreise in eine heimatidiomatische Welt. Ebenso faszinierend Schönbergs instrumentale Fassung vom Wienerlied "Weil i a alter Drahrer bin" von Johann Sioly, der ein Wiener Volkssänger war. Keine Frage, dass Selinger und Schmidlechner Kreneks Alpenreiseführer stimmgewaltig und die Zwischentöne hörbar pointiert interpretierten. Nicht minder gekonnt das Johann Strauß Ensemble und Ingo Ingensand, ein 1985 aus dem hohen Norden Zugereister, dem die Wahlheimat Oberösterreich viel zu verdanken hat.