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"Die Kultur hat den Frieden in Europa beschleunigt"

Von Nora Bruckmüller   20.April 2019

Vor ein paar Jahren war ein Gespräch mit Christine Dollhofer über das "Crossing Europe" noch ein anderes. Als Intendantin eines der größten Filmfeste Österreichs, das sich dem Kontinent verpflichtet hat, wusste die Vorchdorferin zu berichten, wie ihr üppiges Programm von vereinzelten Krisenherden Europas in ausgewählten Werken erzählt – etwa vom wirtschaftlich strauchelnden Griechenland und dem Krim-Konflikt.

Wenn am 25. April die 16. Auflage beginnt, feiert das Festival einen Erdteil, der umfassend und andauernd gebeutelt wird – von der Plackerei mit dem Brexit, Reaktionen auf Fliehende aus Syrien und noch mehr Zweifeln an der EU einen Monat vor der EU-Wahl.

Dollhofer, die mit Filmen aus 48 Ländern (mehr in der Box) die Vorteile "eines lebendigen, vielsprachigen Europas" vermitteln will, kennt durch ihre langjährige Arbeit den Kontinent so gut wie kaum eine andere Kulturmanagerin.

Ob ihr jemals so offen ausgespielter Nationalismus und Rechtspopulismus begegnet seien? "In Österreich bestimmt nicht", sagt sie. "Wenn ich in anderen Ländern unterwegs war, habe ich das schon gespürt, man hat sich gedacht: Oh ja! Österreich ist noch eine Insel der Seligen. Aber ich denke, wir haben es inzwischen mit einer gesamteuropäischen Tendenz zu tun."

Ein Ereignis – neben dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 –, das die 55-Jährige als Europäerin politisiert hat, waren die Kriege auf dem Balkan (1991–1995). "Damals waren es die Filmemacher, die bei den Ersten dabei waren, die wieder Brücken gebaut haben." Dazu komme das Filmfestival in Sarajevo, das 1995 noch während der Belagerung der Stadt gegründet worden ist. "Film, die Kultur im Allgemeinen, ist ein wichtiger Moment für Aussöhnung und Völkerverständigung. Die Kultur hat den Frieden in Europa beschleunigt. Und sie agiert auch überall grenzenlos."

Gerade im Filmbereich geschieht das durch europäische Koproduktionen, wie sie das "Crossing Europe" prägen – so selbstverständlich, dass es kaum extra erwähnt wird. "Die EU war es, die mit ihren Förderungen eine europäische Filmfamilie zusammengeführt hat." Sogar regionale Geldtöpfe wurden gefüllt. "Einfach, weil neue Mitgliedsstaaten völlig unterkapitalisiert waren, sie aber exzellente Stoffe boten, die verfilmt werden mussten." Die Lust daran hat nicht abgenommen und wurde von der Digitalisierung zusätzlich befeuert – allein in der EU werden jährlich 1500 Arbeiten produziert.

So ist es in der Filmindustrie wie im Sport selbstverständlich, in multikulturellen Teams zu arbeiten. Weshalb Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung die Branche zunehmend befremden.

Menschlicher Akt, fatale Folgen

"Als der Krieg in Jugoslawien ausgebrochen ist, sind auch viele Menschen zu uns gekommen. Das haben wir als Land gut verkraftet. Die Gesellschaft ist daran nicht zugrunde gegangen", sagt Dollhofer.

"Ich finde es wahnsinnig traurig, dass ein natürlicher Impuls, zu helfen, ein Akt der Menschlichkeit – Menschen an einer Grenze irgendwo im Nirwana oder im Mittelmeer vom Tod bedroht, in unsere reichen Länder zu lassen –, zu einem kompletten Umbruch fast in der gesamten europäischen Politik geführt hat. Wie zerbrechlich ist unsere Gesellschaft überhaupt, dass sie so etwas nicht aushält?"

Doch Dollhofer wäre nicht mehr ihr optimistisches Selbst, wenn sie sich nicht für eine Besserung einsetzen würde. Für ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, müsse man "das Europäische schon g’spiarn". Um das zu ermöglichen, bringt sie 148 Filme und hunderte Gäste nach Linz. Hingehen, anschauen. Es tut gut, nicht weh.

 

Crossing Europe – Das Festival auf einen Blick:

25. bis 30. April in Linz
149 Filme aus 48 Ländern
108 Premieren
in den Kinos Moviemento, City und u. a. in den Spielorten Ursulinenhof und KAPU

vergünstigter Vorverkauf bis 24. 4., regulär ab 25. 4. (10 bis 23 Uhr),

Programm und mehr: www.crossingeurope.at

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16. April 2024