Die Ketten, die Frauen und Männer sprengen müssen
Kino-Premiere in Linz: Der neue Dokumentarfilm "Feminism WTF" klärt bestechend sachlich und ästhetisch lustvoll über Feminismus auf.
Feminismus ist kein Begriff, der jede Umgebung mit Leichtigkeit verzückt. Obwohl Menschen, die ihm verpflichtet sind, das Gegenteil bewirken wollen, nämlich schädliche Falschannahmen darüber zu zertrümmern, was man das soziale Geschlecht nennt, die Zuweisung als männlich oder weiblich von außen, löst er ironischerweise diese aus.
Feministinnen seien „über Gebühr laute, anstrengende Emanzen, die die Weltherrschaft über die verhassten Männer wollen“ – in diesen Worten lässt sich festmachen, was Feminismus alles an blockierenden, irrationalen Aufwallungen auszulösen vermag.
Zuhören und ausreden lassen
Mit dem Dokumentarfilm „Feminism WTF“ („Was zum Teufel ist Feminismus?“) bringt die Wiener Regisseurin Katharina Mückstein ab morgen eine Arbeit ins Kino, die vor diesem Hintergrund ein besonderes Potenzial entfaltet: uralte Wogen zu glätten, und das mit Haltung, und dabei trotzdem eine bestechend sachliche Ebene einzuziehen.
Mückstein versammelt Expertinnen und Experten verschiedenster Richtungen, gibt ihnen viel Raum und Zeit, um zu erklären und vor allem auszureden. Dieser klare Gegenentwurf zur überhitzten Diskussionskultur, in der (virtuelle) Gespräche zum aggressiven Pingpong verkommen, ist im Kino ideal aufgehoben.
Raffiniert „zwingt“ Mückstein, in ruhiger, handyfreier Abschottung zu hören und zu sehen. Und was? Eine feine, stoische Montage mit Menschen, die eloquent Wissen mit Erfahrung kombinieren. Man muss nicht mit allem, auch Provokativem und teils Pauschalierendem einer Meinung sein, dennoch wird einem vieles wie Schuppen von den Augen fallen. Im Kern wird sichtbar und nachvollziehbar, was Feminismus (in seiner finalen Utopie) will – soziale Balance und gleiche Ressourcen für Menschen, unabhängig vom Geschlecht.
Um die Position „der Frau“ geht es nie exklusiv, sondern stets mehr um die Umstände, die eine Ordnung entstehen ließen, an deren Spitze der weiße, „starke“, heterosexuelle, unversehrte, potente Mann steht. Es ist ein Konzept, das für Exemplare dieser Gattung sicher kein Garant für gutes, gesundes, gewaltfreies Leben ist.
Die Ketten, in die uns geschlechterspezifische Erwartungshaltungen legen, haben die großen Systeme und Strömungen geschmiedet wie Rassismus, Nationalismus, Kolonialismus und Kapitalismus. Im Individuellen wird der Film stark zum Reflektieren anregen – vor allem über Erziehung. Zeit und Raum für Sinnliches gibt es ebenso. Ein Ensemble übersetzt Kämpfe und Erkenntnisse, die der mit zarten Farbtönen geschmückte Film behandelt, in kunstvolle Bewegungen, stark und leichtfüßig zugleich. Denn das kann Feminismus.
„Feminism WTF“: 2023, 96 Min., fünf von sechs Sternen
Ab Freitag im Kino
Filmpremiere in Linz
Regisseurin Mückstein präsentiert den Film am 30. März (Do., 20.15 Uhr)
in Kooperation mit der „What the Fem*“-Schau des Linzer Nordico im Moviemento Linz, www.moviemento.at