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Die Angst des Kriegshelden vor dem Tod

Von Peter Grubmüller   15.April 2019

Wie weit gehen wir, um die eigene Haut zu retten? Ist der freie Wille tatsächlich frei – und wie lenken uns Angst, Vernunft und Aberglaube? In seinem 2008 in München uraufgeführten Stück "Idomeneus" dekliniert Roland Schimmelpfennig diese Fragen am Stoff des mythologischen Königs von Kreta durch. Der Dramatiker variiert alle literarisch verbreiteten Ausgänge von Idomeneus’ Schicksal – und er erfindet gleichberechtigt neue dazu. Wie hätte es sich wirklich zutragen können?

Am Samstag stellte Regisseurin Bérénice Hebenstreit dieses Stück mit dem Schauspielstudio-Ensemble der Linzer Bruckner-Universität wie einen Glücksfall epischen Theaters auf die Promenaden-Studiobühne des Landestheaters.

Gedankengefängnisse

Nach zehn Jahren Blutrausch und Gemetzel gegen Troja macht sich Idomeneus auf den Heimweg. Ehe er sicheren Boden unter den Füßen bekommt, gehen 79 seiner 80 Schiffe in einem Sturm unter. Lediglich sein eigenes trotzt dem Unwetter, weil der Kriegsheld Meeresgott Poseidon vor lauter Angst ein Opfer angeboten hat: Sofern Idomeneus den Sturm übersteht, werde er das erste Lebewesen töten, das ihm in die Quere kommt. Das Haarsträubende bekommt ein Gesicht, weil es sein Sohn Idamantes ist, der ihm am Strand begegnet. Überliefert sei, dass die Kreter ihren König verjagt haben. Aber hat Idomeneus wirklich seinen Sohn umgebracht?

Das Bühnenbild von Mira König rahmt und behütet die Szene glänzend: Die sieben Darsteller kauern zu Beginn in fünf beleuchteten Glaskojen auf Rollen, die sich in der Fantasie des Publikums zu Kokons, Gedankengefängnissen oder Partyhöhlen verwandeln, in denen es allen nur um das Eine geht: am Leben zu bleiben.

Die junge Schauspielergarde mit Vinzenz Wegmüller, Jakob Kajetan Hofbauer, Dorothea Röger, Florian Granzner, aber allen vor Michaela Lenhart, Isabella Campestrini und Anna Wagner musizieren Schimmelpfennigs Monologe und Choräle mit ihren Stimmen, ohne deren Eindringlichkeit oder Ironie zu überdrehen. Die Worte sind stark genug, das wissen Schauspieler, die eine Ahnung davon haben, was sie da sagen. Hebenstreit muss ihrem Team Schimmelpfennigs Idee gründlich eingetrichtert haben.

Aber wieso darf ein Einziger am Leben hängen, während Tausende ersaufen? Oder hat der Nichtsnutz Idamantes, der die 15-jährige Tochter eines Fischers schwängerte und verstieß, ohnehin den Tod verdient? 70 verdammt dichte Theaterminuten mit unzähligen Chancen, Idomeneus in jedem von uns zu entlarven. Langer Applaus.

Fazit: Eine Verführung zur Reflexion und zum Theater, eine Meisterprüfung aller Beteiligten.

Schauspiel: "Idomeneus" von Roland Schimmelpfennig, Regie: Bérénice Hebenstreit, Premiere: 13. April, Studiobühne Promenade, Termine: 20., 25. April; 4., 8., 17., 24. Mai, Info: www.landestheater-linz.at, Tel: 0732/7611-400

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16. April 2024