Die analogen Gefühle der Generation Twitter
Salzburger Festspiele: Sängerisch famos gelungene Premiere von Giuseppe Verdis Oper "Simon Boccanegra" im Festspielhaus
Auch die letzte Salzburger Neuinszenierung, die am Donnerstag Giuseppe Verdis Oper "Simon Boccanegra" galt, wurde im Festspielhaus mit großem Jubel bedacht. Etwas zaghafter beklatschte man Regisseur Andreas Kriegenburg, der kahle Wände einer gigantomanischen Despoten-Architektur auf die Bühne stellt (Harald B. Thor) und darin die von Hass, Neid, Missgunst gezeichnete Gesellschaft Genuas des 14. Jahrhunderts in die Instagram-, Twitter- und WhatsApp-Society von heute verlegt.
Man konspiriert via digitale Medien, alle bekommen von der Welt um sich herum nichts mit. Hier ist Kriegenburgs Ansatz treffend für eine Hassgesellschaft im Internet, die keine andere Meinung zulässt. Doch die "Hans-guck-in-die-Apps" versäumen den Anschluss, und so läuft sich Kiegenburgs Handymanie einfach irgendwann zu Tode.
Emotional packende Szenen
Und plötzlich kehren analoge Gefühle zurück, sprechen Menschen mit Menschen. Und genau da wird Kriegenburgs Personenführung stringent und lässt emotional packende Szenen entstehen. Warum die Chordamen in Heilsarmee-Kostüme gezwängt sind, man dem Dogen kein Sofa spendiert, und dieser sich unter Gelächter des Publikums auf den sinnlos auf der Bühne herumstehenden Flügel schwingt, um ein Nickerchen zu machen, und warum man in der Cybergesellschaft auf banale Taschenfeitel zurückgreift, um sich abzumurksen, ist aber fraglich. So bleibt die statische Inszenierung wenig aussagekräftig, aber stört das Festspielpublikum nicht weiter, zumal die musikalische Seite zu punkten versteht. Valery Gergiev gestaltete mit den Philharmonikern einen packenden Verdi, dem aber dennoch die klangliche Delikatesse bis auf wenige traumhafte Momente fehlte.
Auf der sängerischen Seite begeisterte Charles Castronovo, der leidenschaftlich phrasierend Hitzkopf Gabriele Adorno verkörperte. Großartig René Pape als Jacopo Fiesco, der alle Register der Schauspiel- und Gesangskunst zog. Marina Rebeka schien von der Regie nicht wirklich ins Stück integriert. Dennoch überzeugte sie mit stimmlicher und darstellender Kompetenz. Der französische Bariton André Heyboer ließ speziell am Beginn des zweiten Akts die Nähe des Paolo Albani zur Dämonie des Otello-Jago deutlich werden. Im Zentrum stand aber Luca Salsi, der als Simon Boccanegra die Facetten dieser Rolle herausarbeitet, jede Phrase intensiv gestaltet und darstellerisch restlos zu beeindrucken versteht. Dazu der perfekt von Ernst Raffelsberger geleitete Staatsopernchor.
Fazit: Ein sängerisch famoser Abend, dessen inszenatorisches Konzept nicht restlos überzeugte.
Salzburger Festspiele: Premiere von Giuseppe Verdis Oper "Simon Boccanegra", 15. August