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Der köstliche Wahnsinn des Scheiterns

Von Peter Grubmüller   20.Juli 2019

Humor ist immer dann am besten, wenn er das Doppelantlitz des Menschen beleuchtet, ohne eine Seite davon zu denunzieren – das Komische im Tragischen, das Tragische im Komischen. Und wenn man sich wie bei "Mord auf Schloss Haversham" im Kulturhof Perg (Schloss Auhof) die Lachtränen aus den Augen wischt, dann ist die Komödienleichtigkeit nach dem Plan von Regisseurin Julia Ribbeck ernsthaft erkämpft. Am Donnerstag fand die euphorisch beklatschte Premiere statt.

Die Zuschauer nehmen Platz, obwohl am Bühnenbild noch gearbeitet wird. Der für die Inszenierung notwendige Kaminsims will ums Verrecken nicht halten. Drauf gepfiffen, weil der herzig aufgeregte Regisseur (Björn Büchner) doch das Publikum begrüßen und seine großen Pläne mit der neu zusammengetrommelten Truppe erläutern will. Endlich sei er in der Lage, Stücke ihrem Personal entsprechend zu besetzen – nicht wie zuletzt bei Tschechows "Zwei Schwestern" (statt drei), "Ali Baba und der Räuber" oder beim Musical "Cat". Der englische Krimi "Mord auf Schloss Haversham" – in Anlehnung an Agatha Christies seit 1952 täglich gespieltes Stück "Die Mausefalle" – werde die dramatische Kraft des neu formierten Theaters untermauern. Den Inspektor spielt der Regisseur gleich selbst.

Missgeschick-Stakkato

Angeschoben von einer herausragenden Mischung aus drolliger Amateurhaftigkeit und praller Selbstüberhöhung pflügt sich der Abend durch den Wahnsinn des Scheiterns. Das Chaos gipfelt in einem Missgeschick-Stakkato, bei dem die Autoren Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields die Funken sprühen lassen. Wenig überraschend, dass das 2012 in London uraufgeführte Stück im Stück 2015 mit dem englischen Olivier Award als beste Komödie und 2017 am New Yorker Broadway mit dem Drama League Award als beste Produktion ausgezeichnet wurde.

Dem tot spielenden Lord Haversham (Peter Woy) wird mehrmals irrtümlich auf die Hand getreten, statt Bühnen-Scotch gibt’s Brennspiritus; offen geglaubte Türen bleiben wie vernagelt; Bilder fallen von der Wand; der Techniker vertut sich bei den musikalischen Einspielern; der Bühnenhund ist entlaufen und muss improvisiert werden; die Bahre, mit der die Leiche abtransportiert werden soll, reißt durch – deshalb verlässt der Tote zu Fuß die Bühne. Zwei Mal kommt es zum K.o. durch Türschlag, und am Ende kracht noch das Arbeitszimmer des Schlossherrn herunter. Allein die technischen Raffinessen der Bühne von Jan Hax Halama sind die Reise nach Perg wert.

Auf Mördersuche schleppt sich das entzückend verzweifelte Ensemble von Katastrophe zu Katastrophe. Der Abend taugt außerdem zur überhöhten Nabelschau üblicher Theaterensembles: weitgereistes Schauspiel-Genie mit offener Herablassung (Thomas Bammer), sich auf Busen, Beine und Hintern verlassende Diva (Nadine Breitfuß), Textvergesser (Peter Malzer), vom Theater-Obmann ins Stück reklamierter Talentfreier (Martin Dreiling) und herzig überforderte Inspizientin (Julia Ribbeck), die für die bewusstlose Sexbombe einspringt.

Herausragend, mit welchem Timing der gut zweistündige Slapstick zündet. In zwei, drei Momenten hätte es Möglichkeiten zur Straffung gegeben, aber wenn der Wahnsinn rollt, ist er nicht aufzuhalten.

Fazit: Penibel gearbeitetes Chaos-Theater. Der vorzügliche Lachschlager dieser Sommersaison. Wer sich in Perg nicht amüsiert, der hat sonst auch keinen Spaß im Leben.

"Mord auf Schloss Haversham", Komödie von Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields, Kulturhof Perg, Schloss Auhof, Regie: Julia Ribbeck, Premiere: 18. 7.; Termine: 24., 25.,26., 27. Juli; 1., 2., 7., 8., 9., 10., 14. August, Info/Karten, Tel: 0677/616 00 890, www.kulturhof-perg.at

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