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"Der Brexit ist eine Folge katastrophaler Kulturpolitik"

Von Peter Grubmüller   09.November 2019

Vorzeitig wurde Hermann Schneiders Vertrag als Intendant des Landestheaters bis 2026 verlängert. Im Interview spricht der 57-Jährige über seine Gründe zu bleiben, über seine Pläne und über Strukturen der Kulturförderung. Darüber wird er auch morgen, 10. November , mit Christine Dollhofer (Crossing Europe Filmfestival) und Daniela Pühringer (Kulturverein Ramlwirt, Neumarkt/M.) im Linzer Schauspielhaus (19 Uhr, freier Eintritt) diskutieren.

OÖNachrichten: Wie kam es zur vorzeitigen Verlängerung?

Hermann Schneider: Im Jahr 2019 hat sich mit der Politik eine sehr inhaltliche Auseinandersetzung darüber ergeben, warum wir am Theater was machen. Dass diese Gespräche vorher nicht stattgefunden haben, hatte auch mit einem Findungsprozess zu tun: Ich war neu, der Landeshauptmann war neu, außerdem hatten wir große Probleme, was Budgetkürzungen und die Aufkündigung des Theatervertrags anging. Die Dinge sind nicht alle vom Tisch, aber es war für mich erfreulich, dass man jetzt Kultur nicht einfach unter organisatorischen, politischen oder ökonomischen Aspekten betrachtet. Sondern wir wägen auf sachlicher Ebene ab, was dafür nötig ist, um unsere oberösterreichische Dramaturgie umzusetzen.

Wie definieren Sie Ihre oberösterreichische Dramaturgie?

Ich meine damit eine Unverwechselbarkeit in unserem Spielplan, nicht ohne Referenz an klassische Stoffe. Aber wir wollen auch Dinge versuchen, die mit uns, diesem Land, dieser Stadt zu tun haben. Wie im Schauspiel mit Hans-Werner Kroesingers Rechercheprojekten ("Swap – Wem gehört die Stadt?", "Mythos VOEST", Anm.), aber auch in der Oper mit einer Mixtur aus Bekanntem, Ausgrabungen, eigenen Fassungen und Uraufführungen.

Wie bewältigen Sie die Kürzungen?

Es hat sich ergeben, dass für manche Projekte Sonderförderungen über den normalen Etat hinaus bewilligt wurden, wie für die Tournee des Bruckner Orchesters. Im Doppelbudget des Landes wird deutlich, dass sich die Erleichterung fortsetzt, inklusive der Valorisierung (Indexanpassung der Mitarbeitergehälter, Anm.).

Sie hatten Angebote aus Deutschland und Skandinavien. Haben Sie sich am Landestheater nun finanziell verbessert?

Ich würde es schnöde finden, wenn ich mich angesichts von Kürzungen beklagt hätte. Je selbstbewusster ich verhandelt hätte, umso kleiner wäre mein eigener Aktionsradius geworden. Das heißt: Nur wegen meiner besseren Gage wäre der Etat für die Bühnenbilder kleiner. Das Land kann das Geld ja nicht zwei Mal ausgeben.

Welche inhaltliche Entwicklung, welche Produktionen planen sie? Und wird es in der Oper die vom Publikum geforderten Verdi-, Puccini- oder Bellini-Werke geben?

Das auf jeden Fall. Wir hatten schon drei Verdi-Opern, und auch in der nächsten Spielzeit wird eine dabei sein. Puccini kommt auch, ohne zu viel zu verraten. Bei Bellini muss man vorsichtig sein, da müssen wir erst schauen. Zusammen mit Markus Poschner werden wir das Sängerensemble, das wir ja deutlich reduziert haben, auf- und ausbauen, zugeschnitten auf künftige Projekte. Die Linie des Schauspiels wollen wir grundsätzlich fortsetzen, aber mit Uraufführungen und zeitgenössischer österreichischer Literatur noch kenntlicher machen.

Das Thema am Sonntag wird "Kulturförderung" sein. Besteht langfristig die Gefahr, dass sich die öffentliche Hand dabei mehr und mehr zurückzieht?

Was man kulturpolitisch leistet, das entwickelt eine Gesellschaft. Wenn wir Kultur den marktwirtschaftlichen Interessen opfern, dann wird die Verrohung und die Diffundierung unserer Gesellschaft immer problematischer. Kultur ist unerlässlich, um Kommunikation weiterzuentwickeln. Was mich beim Theatervertrag durch die Stadt Linz auch so aufgeregt hat, war, dass man sich von einer Kulturinstitution entsolidarisiert. Das heißt ja etwas, wenn eine Stadt sagt, sie will das nicht mehr. Was wir in Italien mit der Fünf-Sterne-Bewegung oder mit Salvini erlebt haben, ist ein Ergebnis von Berlusconis Kulturpolitik. Und ich behaupte, der Brexit ist eine Spätfolge des Thatcherismus, einer katastrophalen Kulturpolitik. Es wurde schon damals auf Turbokapitalismus gesetzt, und dafür sind Orchester gestrichen und Theater wie Kulturhäuser geschlossen worden.

Diskussion am Sonntag

Sonntag, 10. 11., 19 Uhr, Schauspielhaus Linz: Hermann Schneider und Peter Grubmüller diskutieren mit Christine Dollhofer (Crossing Europe Filmfestival) und Daniela Pühringer (Kulturverein Ramlwirt, Neumarkt i. M.) über „Kulturförderung“. Der Eintritt ist frei, Platzkarten ab 18.30 Uhr.

 

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19. April 2024