Das „Festival 4020“ spürt bis Sonntag im Brucknerhaus der Zeit nach
Der Freistädter Pianist Elias Gillesberger und das Ensemble Quatuor Zaïde eröffneten am Donnerstag das Festival unter dem Motto „Zeit-Kunst Musik“ im Brucknerhaus. Heute, Freitag, um 18.30 Uhr und 22 Uhr sind die Musiker noch einmal zu erleben, morgen folgt die „Lange Nacht der Uraufführungen“ mit 18 Werken junger Komponierender.
Musik ist Kunst in der Zeit. Sie kann als klingende Erscheinung nicht wie ein Bild auf einen Punkt gebracht werden, sondern bedarf bisweilen viel Zeit, um sie in ihrer Gesamtheit zu erleben. Meist bedeutet der Aspekt Zeit für Musiker Stress. Denn der nächste Ton muss in Sekundenbruchteilen folgen, in korrekter Intonation, Artikulation und Dynamik. Beim Auftakt zum Festival 4020 des Brucknerhauses mit dem Motto „Zeit-Kunst Musik“ war es genau umgekehrt.
Denn hier galt es, die Musik ja nicht zu schnell zu spielen, sondern in einem Zeitkontinuum schier unendlich auszudehnen. Musik, die langsamer nicht sein könnte. John Cage hat mit seinem 1985 mithilfe eines Zufallsgenerators komponierten Stück „ASLSP“, das meist mit „As slow as possible“, also „So langsam wie möglich“, bezeichnet wird, ein derartiges Stück entworfen, dessen acht Teile die Zeit zur Unendlichkeit werden lassen. Elias Gillesberger hat im Restaurant des Brucknerhauses dieses Werk den Zuhörern nicht nur fein erklärt, sondern es im Gegensatz zur 639 Jahre dauernden Orgelfassung in etwas mehr als 20 Minuten zum Klingen gebracht.
Einzelne Töne, Klänge, die aufgrund der Dehnung scheinbar keine Bezüge haben und doch einen musikalischen Fluss evozieren. Einen der in seiner Langsamkeit komplett im Kontrast zur rastlos schnellen Welt steht. Das war umso faszinierender, weil man durch die Fenster die Geschäftigkeit auf der Nibelungenbrücke, die im Donaupark sportelnden Menschen, die sich in rasantem Tempo bewegenden Fahrgeschäfte am Jahrmarktsgelände sehen konnten und dazu beinahe in zeitliche Unendlichkeit gedehnte Klänge zu hören bekam.
Das längste Streichquartett der Musikgeschichte mit dem Ensemble Quatuor Zaïde
Zwei Jahre zuvor mag Morton Feldman mit seinem 2. Streichquartett Cage den Impuls zu ASLSP gegeben haben. Denn auch dieses Werk spielt mit der Zeit, mit viel Zeit. Allerdings nicht dergestalt, dass die Klänge unendlich ausgedehnt werden, sondern dass das Werk aus 13 Teilen besteht, von denen jeder eine ungefähre Spieldauer von 20 bis 25 Minuten hat. Allerdings hängt es stark vom Tempo ab und auf eine derart lange Distanz kann sich ein etwas schnelleres und damit publikumsfreundlicheres Tempo schon bemerkbar machen. Statt knapp fünf Stunden hat das Quatuor Zaïde es in 220 Minuten geschafft, Feldmans Kosmos zu durchwandern. Das allerdings mit großem Fokus auf Musikalität und Klangfarbe. Denn den vier Musikerinnen - Charlotte Maclet und Leslie Boulin Raulet (Violinen), Sarah Chenaf (Viola) und Juliette Salmona (Violoncello) – ging es nicht um den bloßen Showeffekt, das längste Streichquartett der Musikgeschichte aufzuführen, sondern darum die Partitur auch aus ihrem emotionalen Gehalt heraus zu gestalten. Und das ist ihnen mehr als beeindruckend gelungen.
Infos: Festivalfolder unter www.brucknerhaus.at