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"Da habe auch ich weinen müssen"

Von Nora Bruckmüller, 09. Jänner 2023, 00:04 Uhr
"Da habe auch ich weinen müssen"
Simon Morzé als junger Franz Streitberger – das Original, Goigingers Urgroßvater, starb 2017 mit 100 Jahren Bild: Alamode

OÖN-Filmnacht: Adrian Goiginger bringt das harte Leben seines Urgroßvaters ins Kino.

Vor fünf Jahren war er plötzlich da und hat Österreichs Kinopublikum wie aus dem Nichts erobert. Mit seinem Debütfilm "Die beste aller Welten" (2017) hatte der Salzburger Adrian Goiginger eine Liebeserklärung an seine drogenkranke Mutter vorgelegt. Dieses Werk zeigte keine Abrechnung, sondern enthüllte, wie tief bedingungslose Zuneigung berühren kann, wenn wertfrei von ihr erzählt wird.

Diese Woche startet mit "Der Fuchs" die dritte Regiearbeit des 31-Jährigen, die Potenzial hat, an die Wucht anzuschließen, die der Vater zweier kleiner Kinder damals freisetzte. Das Werk, das am Mittwoch in einer OÖN-Filmnacht Bundesland-Premiere feiert, arbeitet die Geschichte auf, die Goigingers Urgroßvater Franz Streitberger zu dem machte, was er war: ein Bub mit unvorstellbar harter Kindheit und Jugend, aus dem ein Mann wurde, "der seine Gefühle nicht im Dialog offenbarte, sondern über Blicke, dem Beziehungen zu Menschen nicht so wichtig waren wie eine enge Beziehung zu Tieren", sagt Goiginger im OÖN-Gespräch.

Ob er deshalb nach Stoffen in seinem familiären Umfeld suche, weil er diese selbst am besten spüren und aufarbeiten könne? "Nein, da steckt kein Kalkül dahinter." Es sei vielmehr so, dass die Geschichten zu ihm kämen und den Drang auslösten, sie unbedingt einmal zu erzählen. Für "Die beste aller Welten" habe er "schon mit sechs, sieben Jahren unbewusst recherchiert", sagt er und lacht.

"Da habe auch ich weinen müssen"
Adrian Goiginger, Regisseur Bild: RTS/Imago

Beim "Fuchs" sei es ähnlich gewesen, als der Urgroßvater ihm als etwa 15-Jährigem von etwas erzählte, was ihm zu Herzen ging – von seiner Freundschaft zu einem Fuchs, den er als junger Motorradkurier im Zweiten Weltkrieg als Welpen fand, adoptierte und ein Jahr mit sich trug.

Im fiktionalisierten Film "Der Fuchs" verbindet Goiginger diese Beziehung mit einem schrecklichen Verlust des Buben Franz Streitberger. "Er wurde als Siebenjähriger weggegeben." Seine Eltern, Bergbauern, konnten den Jüngsten nicht ernähren und durch den Winter bringen. Bis er zum Heer ging, war er Knecht.

"Wie kann man so etwas verarbeiten? Kann man das überhaupt jemals? Diese Fragen haben mich fasziniert. Und ich glaube, mein Uropa hat das durch die Freundschaft mit dem Fuchs versucht." Im Vergleich dazu habe er selbst es "einfach so viel leichter gehabt". In "Der Fuchs" ist es der Bruch, den der Vater (Karl Markovics) herbeigeführt hat, an dem Franz als junger Soldat im Frankreich-Feldzug schwer trägt. Ob es also auch ein Film über abwesende Väter ist? "Ja, das zieht sich ein bisschen durch meine Filme, was vielleicht daran liegt, dass ich selber lange keinen Vater hatte. Da war immer ein Leerraum in meinem Leben."

Echte Füchse, echtes Schnurren

Die Szene, in der der Vater den Buben "verstößt", um sein Überleben zu sichern, rührte Goiginger bei der Weltpremiere beim renommierten Tallinn Black Nights Filmfestival (Estland) zu Tränen. "Ich habe den Film erstmals offiziell erlebt. Und obwohl ich ihn hundert Mal davor gesehen habe, ihn in- und auswendig kenne, habe auch ich da weinen müssen."

In der Hauptrolle überzeugt Simon Morzé (27). Der Wiener habe ein außergewöhnliches Opfer gebracht und sich mehr als zweieinhalb Jahre exklusiv auf den Film vorbereitet. Morzé machte den Motorradführerschein, verbrachte vier Monate auf einem Pinzgauer Bergbauernhof, um Dialekt und Lebenskultur zu lernen, schrieb in seiner Figur Kriegstagebuch und absolvierte ein militärisches Training mit Unteroffizieren, "die ihn, ich will nicht sagen, geschliffen, aber ihm vermittelt haben, wie Soldaten damals lebten". Und Morzé hat zwei Jahre lang zu Füchsen eine Beziehung aufbauen müssen. Denn jedes Mal, wenn der Fuchs im Film zu sehen ist, handelt es sich um ein echtes Tier. Einen digital geschaffenen Fuchs hätte es bei Goiginger "nie im Leben" gegeben.

Sozialdemokrat wie Kreisky-Fan

Drei Fuchsbabys und zwei erwachsene Exemplare wurden von zwei erfahrenen Tiertrainern für den Dreh vorbereitet, an die Motorräder gewöhnt sowie an die Schauspieler. "Der ganze Dreh war auf sie ausgerichtet, man muss ihr Leben und ihre Emotionen akzeptieren, anders geht es nicht." Ist auch das Schnurren echt, das man vom Fuchs im Film hört? "Ja, Füchse schnurren und quieken. Das habe ich selbst auch gar nicht gewusst."

Worüber Goiginger hingegen genau Bescheid wusste, war von ernsterem Hintergrund – die Einstellung seines Urgroßvaters zu Hitler und den Nazis. Beim Anschluss habe er sich wie viele andere gefreut. "Ab 1940/41 hat er begriffen, was für ein diabolischer Massenmörder Hitler war, und wandte sich komplett ab. Bis zu seinem Tod war er ein strammer Sozialdemokrat und Kreisky-Fan."

Goiginger habe sich in jahrelangen Recherchen durch zahlreiche Soldatentagebücher gearbeitet und immer mehr eines erkannt: "Die Männer, und ich spreche nicht von den Offizieren, hat es interessiert, ob es was zu essen gibt, wo sie schlafen können und ob sie es warm haben." Ideologische Fragen waren nicht das, was sie antrieb, eher das bloße Überleben.

Premiere & Kurzkritik

OÖN-Filmnacht „Der Fuchs“: Adrian Goiginger, Simon Morzé und andere präsentieren den Film am Mi., 11. 1., 18.30, Moviemento Linz, Tel. 0732/78 40 90, moviemento.at
In „Der Fuchs“ (Kinostart: 13. 1.) wächst Goiginger in emotionaler Intensität und handwerklichem Können über seinen Maßstab aus „Die beste aller Welten“ hinaus. Vortreffliche Parabel über Höhen und Härte bedingungsloser Liebe, die Österreichs Weltkriegsfilm neu denkt. 

OÖN Bewertung:

Der Trailer zum Film:

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Autorin
Nora Bruckmüller
Redakteurin Kultur
Nora Bruckmüller
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