Bühne frei für virtuelle Theatertage
Die Grenzlandbühne Leopoldschlag, der Theatersommer Haag und der Kulturverein Etty werfen der Theaterlust einen Rettungsring zu und streamen vergangene Aufführungen.
Laue Sommernächte mit Bühnenzauber – wird es sie heuer geben? Viele Sommertheater-Veranstalter haben ihre Premieren ob der unsicheren Situation und unmöglichen Proben bereits abgesagt bzw. verschoben. Immer mehr auch semi-professionelle Bühnen werden mit bewundernswertem Elan aktiv, um der Theaterlust einen Rettungsring zuzuwerfen.
Mit der Komödie "Boeing Boeing" von Marc Camoletti, ihrem Sommerstück von 2013, lädt etwa die Grenzlandbühne Leopoldschlag ab heute zu einem neuen Online-Abenteuer der von ihr ins Leben gerufenen "Corona-Theatertage". "Wir haben in den vergangenen Jahren die Stücke mitfilmen lassen und in mehreren Kameraeinstellungen in hoher Bild- und Tonqualität schneiden lassen", sagt Obmann Johannes Klopf. Außerdem zu sehen: Arthur Millers "Hexenjagd".
Sponsoren in Kurzarbeit
Alle zwei Wochen jeweils am Freitag soll ein weiteres Stück online gehen, sechs Produktionen insgesamt. Auch als Trostpflaster für die "mit viel Wehmut" getroffene Entscheidung, die diesjährige Premiere – "Die acht Frauen" – auf 2021 zu verschieben. Das gesundheitliche Risiko ist das eine. Das andere: Viele Unternehmen, "unsere jahrelangen treuen Sponsoren", haben Kurzarbeit angemeldet. Sie um finanzielle Zuschüsse zu bitten, "hätte nicht gepasst", sagt Klopf, der mit seinem Team "in Gedanken bei der Kulturszene ist, die das beruflich macht und der jetzt die Lebensgrundlage wegbricht. Wir hoffen, dass nicht zu viele auf der Strecke bleiben und die kulturelle Vielfalt erhalten bleibt."
Auch der Theatersommer Haag hat Nestroys Komödie "Der Zerrissene" auf 2021 verschoben. Stattdessen werden Produktionen der Vorjahre online gezeigt, die ganz im Zeichen Shakespeares standen: "Maß für Maß" von 2019 und "Was ihr wollt" (2018), frei adaptiert von Nicolaus Hagg und Alexander Pschill.
Hommage an "Harry Merl"
Der Kulturverein Etty – benannt nach der niederländischen Jüdin Etty Hillesum, die 1943 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet wurde – stellt sein jüngstes Stück online. Die szenische Lesung "Harry Merl – vom verfolgten jüdischen Kind zum Vater der Familientherapie" erinnert an den in Gramastetten lebenden Psychiater. "Da die bereits ausverkauften Vorstellungen für April und Mai nicht gespielt werden können, beteiligen wir uns auf diese Weise am Gedenken an die Befreiung Österreichs vor 75 Jahren", sagt Johannes Neuhauser, Leiter des Kulturvereins Etty.
Grenzenlose Kontakte
Das Internet wird aber auch zum Weg für Theatergruppen selbst, um untereinander zueinanderzufinden. Der Bundesverband für außerberufliches Theater lädt etwa via Facebook zur Kreativität ein: "Da gibt es die ersten skurrilen Ideen. Eine Theatergruppe aus Vorarlberg ruft dazu auf, die besten Theater- und Filmszenen mit den zuhause verfügbaren Requisiten und Kostümen nachzustellen", sagt Klopf, der in der Krise auch eine Chance sieht: "Durch das Internet finden Theatergruppen bundesländerübergreifend zueinander. Die Entfernungen fallen. Ich glaub schon, dass sich da ein bissl was entwickeln wird."
Premieren-Vorfreude auf 2021
Seine Premiere verschoben hat auch das Theaterspectacel Wilhering, das 2021 "Der Revisor" nach Gogol zeigt. Und in der Kulturfabrik Helfenberg darf man sich ab 28. Juli 2021 auf "Shakespeare in Love" unter der Regie von Brigitta Waschnig freuen. Doch vorerst wird gestreamt. Klopf: "Es wird wieder Theater geben, und wir freuen uns drauf." Seine Worte in Gottes und der Regierung Ohr.
Theater im Netz
- Grenzlandbühne Leopoldschlag: www.grenzlandbuehne.at
- Theatersommer Haag: www.theatersommer.at/videos/
- Der Kulturverein Etty streamt „Harry Merl“, https://vimeo.com/401695203