Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Brucknerfest-Eröffnung: Waris Diries Festrede in deutscher Übersetzung

Von Waris Dirie, 13. September 2020, 12:30 Uhr

LINZ. Die Festrede, die Waris Dirie, Aktivistin, Autorin und Supermodel, am Sonntag anlässlich der Eröffnung des Brucknerfestes gehalten hat - im Wortlaut, in deutscher Übersetzung.

Liebe Festgäste,

liebe Freundinnen und Freunde des Internationalen Brucknerfestes Linz.

Ich darf Sie hier in diesem schönen Rahmen ganz herzlich begrüßen und bedanke mich bei den OrganisatorInnen des Internationalen Brucknerfestes Linz, dass sie mir heute die Gelegenheit geben, einige Worte an Sie zu richten.

Ich bin – wie Sie wahrscheinlich wissen – ein Kind der Wüste. Schon als kleines Mädchen habe ich gelernt, mit den zahlreichen Gefahren, die ein Leben in der Wüste täglich mit sich bringt, richtig umzugehen. Ich habe Mutter Natur nicht nur kennengelernt, sondern gelernt, sie zu respektieren.

Eine Lektion, die mein ganzes Leben geprägt hat, ist, die Kostbarkeit des Wassers zu schätzen. Wenn es einmal geregnet hat, haben alle Nomadenkinder der Wüste getanzt.

Du lernst die Heilkraft vieler Pflanzen kennen, denn eine andere medizinische Versorgung gibt es in der Wüste nicht. Und du eignest dir an, durch die Kraft des Glaubens und des Willens zu überleben und deine Selbstheilungskräfte zu nutzen.

Du lernst, die Wüste und Mutter Natur zu lieben! Und du erkennst, dass die Wüste dir alles zum Überleben schenkt und sie dir ein Leben in großer Freiheit bietet.

Noch vor Tagesanbruch stehst du auf, um die Dinge des täglichen Überlebens zu erledigen oder mit deiner Nomadenfamilie weiterzuziehen auf der Suche nach der nächsten Wasserstelle. Tagsüber bist du ständig bemüht, dich und deine Familie vor der großen Hitze zu schützen.

Abends sitzt du am Lagerfeuer, nimmst die oft einzige Mahlzeit zu dir und blickst in den endlosen, klaren, wunderschönen Sternenhimmel. Du hast sehr viel Zeit, über alle möglichen Dinge nachzudenken. Du fühlst dich eins mit dem großen Universum.

Den täglichen Stress der westlichen Welt kennt ein Nomadenmädchen nicht. Du lernst, genügsam und zufrieden zu sein. Und du lernst, das Glück zu schätzen, ein einfaches Leben führen zu dürfen.

Trotzdem habe ich diesen Ort, der mein ganz persönliches Paradies auf Erden war, verlassen!

Nicht Mutter Natur hat mich zu dieser Entscheidung geführt, sondern die Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin. Eine Gesellschaft, in der du als Frau nicht zählst, keine Rechte hast und die nur von Männern dominiert wird. Man kann dich demütigen, verprügeln, vergewaltigen, genital beschneiden, verkaufen, mit einem dir vollkommen unbekannten Mann verheiraten, der dich und deine Kinder später einfach verlassen kann.

Der Besuch einer Schule wird dir als Mädchen verwehrt. Und wenn du arbeitest, tust du es, ohne einen Lohn zu bekommen. Mit der brutalen Genitalbeschneidung verstümmelt man Mädchen nicht nur körperlich, sondern bricht auch ihre Kinderseele. All diese grausamen Verbrechen passieren und werden gerechtfertigt

im Namen der Tradition oder Religion. Schon als kleines Mädchen konnte ich diese ungerechte Art zu leben nicht ertragen und rebellierte.

Mir war klar, dass das von keinem guten Gott gewollt sein konnte und dass Traditionen, die andere Menschen körperlich und seelisch zerstören, einfach beendet werden müssen. Ich schwor mir, dass ich eines Tages gegen dieses Verbrechen und all die Demütigungen ankämpfen werde. Kein Mädchen sollte jemals das erleiden müssen, was mir widerfahren ist. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht, wann und wie.

Mit 13 Jahren flüchtete ich vor einer Zwangsverheiratung, überlebte meine tagelange Flucht durch die Wüste nur knapp und kam mit Hilfe eines Onkels nach England. In eine mir völlig fremde Welt, die sicher nicht auf mich gewartet hat und die mir verrückt erschien.

Am Morgen strömten Millionen Menschen mit leeren oder mürrischen Gesichtern zur Arbeit. Am Abend wiederholte sich das gleiche Schauspiel, auf dem Weg nach Hause sahen die Menschen erschöpft und gestresst aus. In all den Jahren habe ich in diesen sogenannten Stoßzeiten kaum ein lachendes Gesicht gesehen oder einen Menschen, der zumindest ein Lächeln auf den Lippen trug. Die Luft roch nach Abgasen und Smog, überall wurden Berge von Müll abtransportiert.

Durch einen Zufall wurde ich als Model entdeckt und hatte rasch Erfolg. Ich lernte die Spielregeln, die Sonnen-, aber auch Schattenseiten der Glitzer- und Glamour-Branche kennen. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt meiner Karriere erinnerte ich mich an das Versprechen, das ich mir damals als Kind in Somalia gegeben hatte. Ich ‚outete‘ mich und begann meinen Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung, ein Kampf, der mittlerweile vieles zum Besseren verändert hat, aber noch nicht gewonnen ist …

Wäre ich eine Politikerin, dann würde ich Ihnen jetzt erzählen, dass wir alles unternehmen, um Frauen in dieser Welt zu stärken.

Wäre ich eine Politikerin, dann würde ich Ihnen jetzt erzählen, dass wir alles unternehmen, um den Rassismus ein für alle Mal einzudämmen.

Wäre ich eine Politikerin, dann würde ich Ihnen jetzt erzählen, dass wir alles unternehmen, damit kein Kind auf dieser Welt mehr hungern muss.

Wäre ich eine Politikerin, dann würde ich Ihnen jetzt erzählen, dass wir alles unternehmen, damit Mutter Erde endlich respektiert und nicht jeden Tag zerstört wird.

Wäre ich eine Politikerin, dann würde ich Ihnen jetzt erzählen, dass wir alles unternehmen, um Menschen überall auf dieser Welt für ihre Arbeit fair zu entlohnen.

Wäre ich eine Politikerin, dann würde ich Ihnen jetzt erzählen, dass wir alles unternehmen, um allen Kindern dieser Welt eine gute Schulausbildung zu ermöglichen.

Wäre ich eine Politikerin, dann würde ich Ihnen jetzt erzählen, dass wir alles unternehmen, damit Menschen in Frieden leben können und nicht Millionen aufgrund von Kriegen und von uns selbst verursachten Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen müssen.

Ich bin und will aber keine Politikerin sein.

Was ich fordere, ist, dass die PolitikerInnen ihre Arbeit, für die sie von uns gewählt wurden und mit guten Geldern bezahlt werden, mit dem nötigen Ernst und der nötigen Professionalität erledigen. Ich habe die Nase voll von all den Versprechungen, die PolitikerInnen immer vor Wahlen, egal in welchem Land und von welcher Partei, machen und die danach nie gehalten werden. Unsere heutige Welt steht am Abgrund!

Gier, Geiz, Respektlosigkeit, Intoleranz und Dummheit haben weltweit epidemische Ausmaße erreicht und sind viel schlimmer als die aktuelle Corona-Krise. Unsere Umwelt ist und wird von Menschen, denen es ausschließlich um ihren eigenen Profit und die rücksichtslose Befriedigung ihrer Gier nach immer mehr geht, in einem Ausmaß zerstört, dass das Leben für unsere Kinder und Enkelkinder auf diesem Planeten schwer werden wird.

In unserer Weltgemeinschaft gibt es genügend finanzielle Mittel, um, wenn sie nur ein wenig gerechter verteilt wären, alle Hungersnöte dieser Welt zu beenden und allen Kindern Zugang zu guter Schulbildung zu garantieren.

Es ist völlig inakzeptabel, dass Frauen und Mädchen in vielen Ländern dieser Welt Menschen zweiter Klasse sind und nicht die gleichen Rechte wie Männer haben.

Es ist völlig inakzeptabel, dass Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder Hautfarbe benachteiligt oder diskriminiert werden.

Ich warte nicht mehr darauf, dass PolitikerInnen ihre Versprechen einhalten.

Ich appelliere an Euch, Mütter und Väter, Töchter und Söhne, dass Ihr Euch Eurer eigenen Verantwortung bewusst seid und auch nicht mehr wartet. Denn jede und jeder von uns kann täglich ganz bewusst ihren oder seinen Beitrag leisten, um all die Missstände, die uns an diesen Abgrund geführt haben, abzustellen.

In meiner Kindheit in der Wüste Somalias habe ich gelernt, alles mit den anderen zu teilen. Denn nur so konnten wir als Familie in der kargen Welt der Wüste überleben.

So lebe ich noch heute. Ich brauche keinen materiellen Wohlstand, um glücklich zu sein.

Ich bin glücklich, wenn ich in der Natur bin.

Ich bin glücklich, wenn ich ein Bild male.

Es macht mich glücklich, mit meiner Desert Flower Foundation mehr als tausend Familien in Afrika zu unterstützen. Wir bauen Schulen und verteilen jedes Jahr an Tausende Kinder Schulmaterialien.

Wer seinen Erfolg und sein Glück mit anderen Menschen teilt, wird noch glücklicher werden und überall Liebe erfahren.

Nicht Egoismus, Gier, Geiz, Ignoranz, Respektlosigkeit und Intoleranz machen uns Menschen glücklich.

Die wahre Erfüllung im Leben liegt im Teilen seines Glückes und im Teilen seines materiellen Wohlstandes.

Jeder Mensch kann etwas Gutes für seine Mitmenschen tun und unsere Welt zu einem besseren und lebenswerteren Ort machen.

Gebt diese Botschaft Euren Kindern mit!

Lehrt sie, anderen Menschen und Mutter Natur mit Liebe und vor allem Respekt zu begegnen.

Wir als verantwortungsvolle Gesellschaft haben es selbst in der Hand, dafür zu sorgen, dass wir und unsere Nachkommen in einer friedlichen und gerechten Welt leben können, in der die Menschen sich mit Liebe und Respekt begegnen.

Love and Peace, Waris Dirie

 

Dieser Text stellt die geplante Variante der Rede dar. Tatsächlich hat Waris Dirie andere Worte gewählt.

mehr aus Kultur

Ulrichsberger Kaleidophon: Klänge abseits ausgetretener Pfade

LIVA: Brucknerhaus beendet Vertrag mit Künstleragentur

Taylor Swifts neues Album: Willkommen im Club der geschundenen Herzen

Die "Schorgel" lädt als interaktiver Orgel-Spielplatz auf Bruckners Spuren

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

8  Kommentare
8  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Maireder (2.427 Kommentare)
am 13.09.2020 20:26

So eine Person zur Eröffnungsrede eines Musikfestivals eingeladen wird, sollte sie von Musik verstehen und nicht eine humanistische Rede über Zustände die in vielen Ländern unserer Erde leider vorkommt ihr Laudatio halten.
Immer wird bei solchen Veranstaltungen das Skript im Vorhinein verlangt, das p.t Publikum hörte doch was anderes wie die OÖN berichten.

lädt ...
melden
adaschauher (12.083 Kommentare)
am 14.09.2020 08:21

Wenn Sie das so meinen , wie sie es Schreiben, dann gehörten aber alle anderen Redner ebenfalls ausgeladen, denn die haben auch bewiesen, dass sie auch keine Ahnung von Musik haben, außer Floskeln

lädt ...
melden
susisorgenvoll (16.661 Kommentare)
am 13.09.2020 20:00

Was soll der Nachsatz "............ tatsächlich hat Waris Dirie andere Worte gewählt."???? War sie als Festrednerin eingeladen oder nur als Vorleserin für einen von wem auch immer bestimmten und vorgeschriebenen Text?

lädt ...
melden
susisorgenvoll (16.661 Kommentare)
am 13.09.2020 19:57

Leider kann man das Interview nicht mehr nachlesen, weil es offensichtlich auf "plus" gestellt wurde! Mein Gatte und ich werden bald unser Printabo abmelden, wenn die OÖN weiter darauf beharren, extra für die online-Ausgabe bezahlen zu müssen!

lädt ...
melden
adaschauher (12.083 Kommentare)
am 13.09.2020 20:24

Sie können sagen was Sie wollen

Sie hat ganz andere Donge gesagt

Könnten die OÖN vielleicht den Namen des Hotels veröffentlichen, das sie ablehnte weil sie eine Schwarze ist

Das wäre Journalismus

Aber dieser Artikel ist Frechheit

lädt ...
melden
adaschauher (12.083 Kommentare)
am 13.09.2020 18:52

Das schlägt dem Fass den Boden aus

Von dieser Rede hat sie nicht ein einziges Wort gesagt

Das ist typisch für die oön

Manipulieren wos geht

Schämt Euch!!!!

lädt ...
melden
susisorgenvoll (16.661 Kommentare)
am 13.09.2020 20:01

Sieh dir den Nachsatz an!!

lädt ...
melden
Gugelbua (31.906 Kommentare)
am 13.09.2020 17:23

Ich wünschte ihre Worte werden gehört !

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen