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Ben Kingsleys Doppelgänger und Stimme

Von Helmut Atteneder   18.Jänner 2019

Peter Mati´c ist ein Schauspieler von allererster Güte, sowohl auf der Bühne – als Burgschauspieler – als auch vor der Kamera (zuletzt beim Österreich-Tatort am vergangenen Sonntag). Besser bekannt als sein Konterfei ist vielen seine einprägsame Stimme.

Der 82-Jährige ist Synchronsprecher des britischen Oscar-Preisträgers Ben Kingsley ("Gandhi" oder "Itzhak Stern" in "Schindlers Liste" etc.). Peter Mati´c im Gespräch über das Glück einer Stimme und die Freiheit, glauben zu können.

OÖNachrichten: Wer Ihren Namen nicht kennt, der kennt zumindest Ihre Stimme. Werden Sie immer noch als Gandhi oder Itzhak Stern angesprochen?

Peter Mati´c: Ja, absolut. Im Restaurant werde ich von Kellnern oft gefragt, ob ich es wirklich bin. Vor zwei Jahren bin ich in Berlin mit dem Taxi gefahren. Ich sage: "Kurfürstendamm 56, bitte." Das ist ja in Berlin keine unbekannte Straße. Trotzdem dreht sich der Taxifahrer um und fragt: "Wie war die Adresse?" Ich sage es noch einmal, und dann sagt er darauf: "Ah, ja, Sie sind der Gandhi." Das sind schöne Momente, weil man ja den Beruf nicht deswegen gewählt hat, um anonym zu bleiben.

Wie sehr verwächst man als Mensch mit der gesprochenen Filmrolle – sind Gandhi und Itzhak Stern Menschen, die tief in Ihre Seele eintauchen?

Bei diesen beiden schon, aber Kingsley spielt ja die unterschiedlichsten Charaktere. Ich selbst spiele am Theater ja auch lieber die Hinterhältigen und eher negativ zu definierenden Charaktere, das macht mir mehr Spaß. Zuletzt habe ich Ben Kingsley als Adolf Eichmann synchronisiert. Und auf der anderen Seite wieder den Itzhak Stern in Schindlers Liste. Da muss ich jetzt noch einmal abschweifen, weil mir da vor ein paar Jahren etwas ganz Sonderbares passiert ist.

Gern.

Ich stehe in Wien bei einer Tram-Haltestelle, da kommt eine Dame ganz aufgeregt auf mich zu und sagt zu mir: "Oh, you played my father!" Ich dachte, das ist eine Irre oder eine Verwechslung. Sie hat mich tatsächlich mit jemandem verwechselt, nämlich mit dem Ben Kingsley. Sie war die Tochter von Itzhak Stern.

Ihre optische Ähnlichkeit zu Ben Kingsley ist ja frappierend.

Es scheint so zu sein. Bei Kameraeinstellungen im Profil oder Halbprofil gibt es Ähnlichkeiten.

Wie wurden Sie zur deutschen Synchronstimme von Kingsley?

Ich habe von 1972 bis 1994 am Schillertheater in Berlin gespielt. Da sind sie auf mich gekommen. Ich glaube, weil ich nicht so eine bundesdeutsche Stimme habe. Ben Kingsley ist zwar auch britisch, aber auch so eine Mischkulanz aus indisch und jüdisch.

Was ist das Schwierige an der Synchronisation?

Ich halte es für gar nicht schwierig. Wenn man jemanden schon öfters synchronisiert hat, dann bekommt man den Sprechrhythmus von diesem Menschen.

Kennen Sie Ben Kingsley persönlich?

Anfang der 1990er Jahre wurde er für seine Darstellung des Simon Wiesenthal ausgezeichnet. Da wurden Ben Kingsley, Simon Wiesenthal und ich zu einem Abendessen eingeladen. Ich hätte zunächst gern einiges von Kingsley gehört, aber wir haben beide aufmerksam und geradezu andächtig dem Simon Wiesenthal gelauscht. Das ist so eine eminente Persönlichkeit, und er hatte so viel zu erzählen, dass wir nur von ihm hören wollten und wir nur ein paar Freundlichkeiten ausgetauscht haben.

Sie sind aber viel mehr und können viel mehr sein als eine Synchronstimme, sind ein universeller Schauspieler am Set und auf der Bühne. Ist es ein Glücksfall oder ärgerlich, vielerorts auf Ihre Stimme reduziert zu werden?

Ich betrachte es als Glücksfall. Denn auch dafür machen wir unseren Beruf.

Am 24. Jänner gastieren Sie im Brucknerhaus und zitieren dabei biblische Historien des Komponisten Johann Kuhnau. Was bedeuten Ihnen biblische Stoffe?

Ich habe mich sehr mit dem Alten Testament beschäftigt. Die Figur Hiob hat mich immer fasziniert, und ich stolpere immer wieder darüber. Mein Interesse an der Religion und am Glauben ist, dass Hiob, der im größten Elend dasitzt und trotzdem darauf beharrt, dass es Gott gibt. Und doch ist Gott, sagt er.

Bei all den Kriegen, dem Verlust der Nächstenliebe, der Egomanie dieser Zeit – warum haben Sie Ihren Glauben noch nicht verloren?

Es beginnt damit, dass ich so erzogen worden bin. Das spielt eine Rolle. Viele Menschen, die in einem christlichen Haus geboren werden, machen sich im Lauf der Zeit ihr eigenes Bild vom Glauben. Für mich hat sich das nicht geändert. Es gibt immer wieder Dinge, die ich erlebe oder beobachte, bei denen ich mir denke, da ist doch die Gnade Gottes unterwegs. Bei allen Grausamkeiten, die passieren. Der Glaube wird ständig auf die Probe gestellt.

Warum?

Es geht ständig um Dinge, die man glauben kann, aber nicht glauben muss – vor allem aber glauben darf. Ich nehme mir die Freiheit, ich möchte fast sagen, ich kann nicht anders. Obwohl es immer wieder Gelegenheiten gibt, die einen auf die Probe stellen, und sehr viele Menschen, die einem sagen, was für ein Blödsinn das alles ist. Es ist nicht leicht. Und wenn man um Erklärungen gefragt wird, wird es besonders schwer. Weil es keine vernünftige Erklärung gibt.

Öffentlich zu glauben, ist in Teilen der Welt lebensgefährlich, Religion wird oft als mit Waffen zu verteidigendes Ideal gesehen. Ist das nicht pervers?

Das ist grauenhaft. Es wäre wunderbar, wenn jeder Mensch mit seiner Religion zufrieden wäre und die anderen damit in Ruhe lässt.

Verstehen Sie, dass Menschen Ihren Glauben verlieren können?

Da treffen Sie genau einen Punkt, der mir auch große Sorgen macht. Ich hoffe, dass diese Geschichte in Österreich mit Bischof Schwarz endlich so ausgesprochen wird, wie es offenbar gewesen ist, und nicht wieder Dinge unter den Teppich gekehrt werden. Das ist etwas, das mich persönlich kränkt. Auf der ganzen Welt sind solche Sachen passiert. Wenn etwas passiert ist, muss man sich dazu bekennen, sonst bin ich in großen Schwierigkeiten mit meinem Glauben.

Konzert "Wortklang": Peter Mati´c als Sprecher und der Cembalist Mahan Esfahani gastieren mit Musik und Texten von Johann Kuhnau am 24. Jänner im Brucknerhaus. Karten: brucknerhaus.at

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28. März 2024