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Wenn aus unzähligen Notenköpfen plötzlich Musik entsteht

Von Michael Wruss   01.Dezember 2018

Es gehört zum Spannendsten in der Musik, wenn aus Notenköpfen plötzlich Musik entsteht. Noten sind die eine Seite der Komposition, dahinter steht jedoch eine Klangwelt, die das eigene ästhetische Empfinden, das stark von der kulturellen Bildung und Integration abhängig ist, nach außen trägt.

Wenn es um Orchestermusik geht, ist diese Vorstellung so lange bloß imaginär, solange diese Vision nicht in reale Klänge umgesetzt wird. Doch nur selten haben junge Komponisten die Chance, ihre Ideen durch ein professionelles Orchester umgesetzt zu erleben. Da setzen die Anton Bruckner Privatuniversität und das Bruckner Orchester Linz unter seinem Chefdirigenten Markus Poschner an und veranstalteten am Donnerstag die zweite Auflage einer "Anhörung".

Eigentlich ist es der alte Brauch einer Anspielprobe, um zu entscheiden, welche Novität ins Programm genommen werden soll. Hier allerdings als gegenseitiges pädagogisches Prinzip. Denn nicht nur die jungen Komponistinnen und Komponisten lernen dabei immens und müssen erleben, ob das theoretisch Erdachte in der Praxis funktioniert, ob angestrebte Klangvorstellungen tatsächlich wie gewünscht Effekt machen.

Auch für das Orchester ist das ein Prüfstein, ob es gelingt, mit neuen Formen der Notation und komplexen Aufgaben zurande zu kommen. Da zeigt sich die herausragende Qualität des Bruckner Orchesters, das alle drei Stücke gleich beim ersten gemeinsamen Durchlesen höchst überzeugend zum Klingen gebracht hat. Spannend dann auch Markus Poschners Probenarbeit. "…aus Holz und Fleisch" des Mexikaners Jorge Gómez Elizondo stellt in einem durchlaufenden Metrum kleine Motive gegenüber, die sich in ihrer Vielgestaltigkeit überlagern und so das scheinbar fest vorgegebene Zeitkontinuum in Frage stellen.

Bemerkenswerte Komponisten

Yiran Zhao aus China ließ sich von der Poesie des kongolesischen Dichters Fiston Mwanza Mujila inspirieren und schafft mit "Oder Ekel kommt vor Essenz" eine Partitur, deren Motive sich aus der instrumentalen Umsetzung der Sprache entwickeln.

Im zweiten Teil wird der Text mit einer Zuspielung rezitiert, wobei sich Textrhythmus und musikalische Motorik überlagern und gegenseitig in der Intensität steigern. Ralph Mothwurfs "KeinemBleibtSeineGestalt" spielt mit der Veränderung kleiner motivischer Einfälle, die einerseits in ihrer patternhaft wiederholenden Präsenz als auch in ihrer Überlagerung Strukturen aufbauen.

Fast schon manisch muten manche immer wiederkehrenden Muster an, und doch entwickelt sich daraus eine beredte Partitur, die die Nähe zum Jazz nicht leugnet und die dort typischen Muster auf das Orchester zu übertragen versteht.

Fazit: Ein spannendes Konzert mit aufschlussreichem Vorgespräch, das einerseits die Großartigkeit des Bruckner Orchesters, aber auch die Versiertheit Markus Poschners zeigte, andererseits jungen bemerkenswerten Komponisten Tür und Tor öffnete und die Wichtigkeit eines solchen Projekts deutlich unterstrich.

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24. April 2024