Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Tobias Moretti zieht das Ensemble zum Triumph

Von Peter Grubmüller, 23. Juli 2018, 06:35 Uhr
Bild 1 von 24
Bildergalerie Die ersten Fotos vom neuen "Jedermann"
Bild: (APA)

SALZBURG. Jedermann: Standing Ovations für die verbesserte Regie von Michael Sturminger.

Michael Sturminger hat Glück, dass er nachbessern konnte. Im vergangenen Jahr war der Regisseur kurzfristig als „Jedermann“-Feuerwehrmann eingesprungen, nachdem das seit 2013 bei den Salzburger Festspielen werkende Duo Julian Crouch und Brian Mertes wegen künstlerischer Diskrepanzen die Zusammenarbeit beendet hatte. Sturminger lockerte die beißende Anbiederung an die Gegenwart von 2017, er gestattete den Schauspielern mehr Raum, um Hugo von Hofmannsthals Knittelverse zu entfalten, ohne die Aktualisierung des mittelalterlichen Stoffes zu beschädigen. Das Publikum belohnte die Überarbeitung der Inszenierung am Sonntagabend mit Standing Ovations samt „Bravo“-Rufen – und es feierte „Jedermann“ Tobias Moretti.

Wegen angekündigten Regens (der ausblieb) wurde die Premiere erneut vom Domplatz ins Festspielhaus vertrieben. Die Konfrontation mit dem sakralen Barockbau musste also wieder die Projektion der Dom-Fassade auf der Bühnenrückwand vorgaukeln. Der Osttiroler Komponist Wolfgang Mitterer, der anstelle des 2017 engagierten Matthias Rüegg beauftragt wurde, erweist sich gleich als Glücksgriff: Er eröffnet „Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ mit Glockengeläut, das sich zu schneidenden Tönen verfremdet – eine treffende Fanfare für diesen nur dem Geld hörigen Jedermann.

Moretti trägt heuer keinen Dandy-Morgenmantel, keine Goldrahmen-Sonnenbrille, sondern er kehrt zur Schlichtheit im schwarzen Anzug zurück. Er wütet zorniger gegen jene, die ihm das Geleit in den Tod verweigern. Zugleich ist seine Zerbrechlichkeit im Wahnsinn der gespenstischen Stimmen eindringlicher – und so behutsam wie diesmal sah man das Leben selten aus dem Jedermann-Körper entweichen. In seiner zweiten Saison hat sich Moretti dieses Mysterienspiel maßgeschneidert, und sein Windschatten ist breit genug, um das gesamte Ensemble zum Triumph zu ziehen.

Buhlschaft Stefanie Reinsperger muss sich nicht mehr linkisch aus einem Bett räkeln, sondern sie entsteigt einer übergroßen roten Robe. Sie ist Liebende und Selbstbestimmte im schwarzen Cocktailkleid, denn als ihr die Vertrauensfrage gestellt wird, verwandelt sie sich zur Emanzipierten, die Jedermanns Todesangst nicht mehr erfrischend findet und verschwindet. Glücklicherweise blieb ihr das zuckerlrosa Kleid von 2017 erspart.
Hemmungsloser Hedonismus

Der letzte große Wurf ist Sturminger mit der Renovierung der Tischgesellschaft gelungen. Er bahnt die Völlerei mit getanzter und gesungener Beschwörung eines hemmungslosen Hedonismus an. Keine schicken Catering-Häppchen eines Hipster-Caterers mehr, sondern hier wird die große Fallhöhe zu Jedermanns Läuterung hergestellt. Am Ende stürzen die Tische von der sich gefährlich neigenden Bühne. Beinahe wird ein Zuschauer von einem Sessel getroffen. Der grazile Tod in Gestalt von Peter Lohmeyer hat auf Stöckelschuhen zu kämpfen, auf den Beinen zu bleiben, aber keiner seiner Stolperer entweiht die Würde der edel hingestellten Figur.
Die großartige Mavie Hörbiger arbeitet den Kontrast mit ihrer Werke-Allegorie vom durchsichtigen Lufthauch zur sich aufbäumenden Gefährtin des zum Tode Geweihten noch intensiver heraus. Verschenkt bleiben Jedermanns Vettern (Hannes Flaschberger, Stephan Kreiss), die das Hereinschieben des Krankenbetts mit lieblos fallen gelassenen Kalauern verzieren.

Christoph Franken demonstriert als goldenes Mammon-Zotteltier einmal mehr die uneingeschränkte Macht des Geldes mit einer erzwungenen Jedermann-Fellatio. Edith Clever ist die edel um ihren Sohn bekümmerte Jedermann-Mutter, und als der souveräne Johannes Silberschneider (Glaube) und Hörbiger bei Jedermanns Gang ins Licht Händchen halten, erfährt die Szene sogar etwas Tröstliches.

Einzig Hanno Kofler sucht als Guter Gesell und Teufel noch immer nach diabolischer Kraft. Für Jedermanns durchtriebenen Spezi ist er zu harmlos. Als Teufel hinkt er wie ein angeschossener Monchichi mit rot leuchtendem Bauch und Schwanz über die Bühne, ohne dort jemals als Chef der Hölle anzukommen. Aber dieser Teufel holt den Abend trotzdem nicht.

Fazit: Eine geglückte Rettungsaktion des Festspiel-Tankers mit weiterer Luft nach oben. Tobias Moretti hat nach diesem Abend seinen Fixplatz im Boot der großen „Jedermann“-Darsteller.

Video: Signierstunde im Großen Festspielhaus, Johannes Silberschneider singend auf der Bühne, Nachwuchsopernsänger in der Meisterklasse von Kammersängerin Christa Ludwig und das 30-jährige Berufsjubiläum eines Galeristen - die Salzburger Festspiele bieten auch heuer wieder ein umfassendes und abwechslungsreiches Rahmenprogramm.

mehr aus Kultur

Burgtheater klagt: Teichtmeister erneut vor Gericht

Veronika Liebl: "Ohnmacht schafft keine Veränderung"

Beeindruckende Reise durch Bachs Meisterwerk

Auf einen Blick:  Alle Landestheater-Produktionen 2024/25

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

5  Kommentare
5  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Gugelbua (31.923 Kommentare)
am 23.07.2018 18:03

heute gefällt ja alles, der Spaß Gesellschaft.

lädt ...
melden
antworten
jago (57.723 Kommentare)
am 23.07.2018 10:16

Bücher gelten nichts ohne berühmte Autoren.
Theater gelten nichts ohne berühmte Akteure.

Brauchen womöglich die Kritiker die guten Kontakte zu den Berühmten?
(duck)

lädt ...
melden
antworten
Rufi (4.739 Kommentare)
am 23.07.2018 12:18

Wer geistiges Eigentum ängstlich zurück hält, schwächt und verarmt seine Aufnahmefähigkeit. © Mulford

lädt ...
melden
antworten
TaJo (568 Kommentare)
am 23.07.2018 09:41

Das hört sich in Salzburg aber anders an!

lädt ...
melden
antworten
Rufi (4.739 Kommentare)
am 23.07.2018 12:16

etwa so: „Doch ist Tobias Moretti kein betörender Liebhaber. Stefanie Reinsperger als Buhlschaft bemüht sich redlich, sie versucht's mit Zärtlichkeit, singt und tanzt mit Verve, hat es aber schwer, diesen feschen, forschen Mann zu umgarnen. Der sagt ihr ein paar liebe Worte, kann aber schnell grob werden. Tobias Moretti ist auch als Gastgeber kein herzlicher Stimmungsmacher, der seine Feste zum Brodeln bringt.

Quelle: › https://www.sn.at/salzburger-festspiele/jedermann-ist-ueberarbeitet-neue-kostueme-neue-ideen-mehr-hofmannsthal-36810448 © Salzburger Nachrichten VerlagsgesmbH & Co KG 2018“ © SN

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen