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Spannendes abseits der Tradition

Von Michael Wruss   20.September 2018

Auch im ersten Abonnementkonzert der Saison, das am Dienstag im Rahmen des Brucknerfests stattgefunden hat, ging man vonseiten der Veranstalter wiederum auf Spurensuche in Sachen Bruckner und stellte mit Mendelssohn-Bartholdy und Schubert Vorbilder für Bruckners Schaffen vor. Etwas, was den Ausführenden des Abends – das Bruckner Orchester unter Markus Poschner und der Ausnahmegeiger Christian Tetzlaff – bei ihren Interpretationen nicht so wichtig schien.

Denn sie taten alles, um diese Musik nicht in Richtung Bruckner zu trimmen und so einem zwar tradierten, aber hinterfragenswerten Bild frühromantischer Musik zu folgen, sondern sie haben die Partituren sehr genau studiert und alle Ecken und Kanten, alle Schärfen und dynamischen Überraschungen mehr als nur intensiv herausgearbeitet. Das begann bei Mendelssohns Hebriden-Ouvertüre, die nicht im eigenen Meeresschwall ersoffen ist, sondern unglaublich durchsichtig, dynamisch, bis ins Extrem fein abgestuft und schroff auftrumpfte.

Kein Gemälde mit dick aufgetragenen Ölfarben, sondern, wie Mendelssohn selbst auf Reisen seine Eindrücke skizzierte, in zarten Aquarellfarben, die aber der musikalischen Dramatik nicht widersprachen. Vielmehr ließen sie das Meer vielfältig changieren.

Keine falsche Verklärung

Christian Tetzlaff ist ebenso ein Musiker, der aufgehört hat, Traditionen als Interpretationsnorm zu verstehen, sondern der beim viel gespielten e-Moll-Violinkonzert den Blick in die Partitur wagt und dort Mendelssohns musikalisches Wollen zu entziffern versteht. Sein Zugang, den das Bruckner Orchester fulminant begleitend mitgetragen hat, geht nicht von einer falschen romantischen Verklärtheit aus. Im Autograph heißt die Tempobezeichnung "Allegro con fuoco", und das hat Christian Tetzlaff an diesem Abend voll und ganz beherzigt und mit enormem Feuer und einer unbändigen Leidenschaft musiziert. Sein subtiles und doch virtuoses Spiel sowie die minutiöse Umsetzung der dynamischen Anweisungen im Orchester eröffneten neue Welten. Diese eröffnete auch Markus Poschner im zweiten Teil mit Schuberts "großer" C-Dur-Symphonie.

Als wäre die historische Aufführungspraxis über das Orchester hereingebrochen und hätte jegliche Schwülstigkeit beseitigt. Man muss sich immer vor Augen halten, dass dieses Werk in den beiden Jahren nach der Uraufführung von Beethovens IX. Symphonie entstanden ist und bei allen Neuheiten, bei allen harmonischen und vor allem artikulatorischen Gewagtheiten dieser Musik nähersteht als irgendeiner anderen. Der zweite Satz ein düster makabres Totentänzchen, das immer wieder hervorzublinzeln versucht und zwischen explosiver Expressivität und beinahe resignativer Ruhe pendelt. Fulminant rasant und ideal ausphrasiert das Scherzo, heiter und doch nicht ohne dunkle Gedanken das Finale.

Fazit: Ein Abend abseits gängiger Interpretationsgewohnheiten, der viel Emotion versprühte und das Publikum begeisterte.

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23. April 2024