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Schiffkowitz im OÖN-Interview: Erfahrungen des Lebens

Von Reinhold Gruber   18.Juni 2011

Beständigkeit kann etwas Schönes sein, wenn sich darin eine Haltung ausdrückt und nicht das beharrliche Festhalten an Denkmustern.

Schiffkowitz ist also in dem Sinne beständig, dass er auch nach 35 Jahren Liederschreiben nur thematisiert und singt, was ihm wirklich wichtig ist.

Es sind Geschichten aus seinem Leben, die sich aus Erfahrungen, Begegnungen und der Beschäftigung mit der Welt aufdrängen. Sie brauchen ihre Zeit. Das hat nichts damit zu tun, dass er in Schnellschüssen die Gefahr von Belanglosigkeiten fürchten würde. Dazu ist er zum einen viel zu selbstkritisch und zum anderen kein kreativer Tempobolzer.

Er sei einfach kein Schnellschreiber, pflegt der mittlerweile 64-jährige Steirer zu sagen. Man glaubt ihm aufs Wort. Einen guten Beweis hielt er diese Woche in der Hand, als ihn die OÖNachrichten in Linz zum Gespräch trafen. Eine CD, seit gestern im Handel, das Cover weiß, nur mit einem Wort versehen: Schiffkowitz. Mehr braucht es nicht.

 

OÖN: Elf Jahre sind seit dem ersten Solo-Album vergangen. Offenbar braucht das Gute immer mehr Zeit?

Schiffkowitz: Ich habe immer wieder einen Anlauf genommen, aber viele Nummern wieder verworfen. Da kam ein neues STS-Album und ich habe wieder dafür geschrieben. Vor zwei Jahren habe ich mir dann gesagt, jetzt mache ich es wirklich, weil sonst mache ich es nie, wenn ich so weiter tue.

OÖN: Das hat aber dann immer noch gedauert?

Schiffkowitz: Ja. Erstens bin ich ein Langsamschreiber. Zweitens verwerfe ich dann vieles wieder, mache Demos, die ich dann erst wieder überarbeite, weil ich sie nicht gut finde. Dann tust du wieder ein Monat lang nichts, weil du keine Lust hast und wieder Kraft sammeln musst. Und die Zeit verrinnt dabei. Insgesamt habe ich mit Pausen eineinhalb Jahre lang an dem Album gearbeitet.

OÖN: Das Album erweckt bei mir als Hörer aber den Eindruck, als wären dir die Themen unter den Nägeln gebrannt und wären in einem Guss aus dir herausgeflutscht.

Schiffkowitz: Im Prinzip ist es so, nur hat das Flutschen länger gedauert. Es war schon eine schwere Geburt. Was du sagst, ist aber völlig richtig. Es gibt Themen, die mir schon lange unter den Nägeln brennen, wie etwa Religion, Heimat, Abschiednehmen. Irgendwie habe ich im Nachhinein das Gefühl, es ist fast so etwas wie ein Konzeptalbum geworden, weil die zehn Nummern irgendwie alle zusammenhängen. Aber es war nicht als Konzeptalbum gedacht. Konzeptiv war, wenn man so will, nur das Duett mit Donovan.

OÖN: Was bedeutete Donovan für dich?

Schiffkowitz: Früher, sagen wir in der unter Anführungszeichen Spät-Hippiezeit der 1960er- und 1970er-Jahre, war er wie für alle meiner Generation ein Held, nahe am Idol. Er war jemand, zu dem man aufgeschaut und der großartige Songs geschrieben hat, die bis heute Bestand haben. Von „Atlantis“ bis „Catch The Wind“. Der Mann kann ein Konzert bestreiten mit lauter Welt-Hits. Die ganze Welt hat damals auch Donovan gehört.

OÖN: Wann bist du Donovan persönlich begegnet?

Schiffkowitz: Ich habe ihn vor etwa zwölf Jahren durch Hans und Milica Theessink kennengelernt und wir hatten, was nicht oft passiert, einen spontanen Draht zueinander. Über die Jahre hat sich daraus eine Freundschaft entwickelt.

OÖN: Wie kam es dann zum Duett „In The Music“?

Schiffkowitz: Er hat mich eines Tages aus Zürich angerufen. Er hätte ein paar Tage Zeit, ob ich nicht Lust hätte zu kommen. Die hatte ich und wir haben dann viel miteinander geredet. Irgendwann standen wir genau in der Straße von Zürich, in der ich als junger Straßenmusikant aufgetreten bin. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich genau hier gestanden bin und auch seine Lieder gesungen habe. Am nächsten Tag ist er dann gekommen und hat gemeint: Schreiben wir ein Lied darüber, dass du meine Songs gespielt hast und wir uns erst jetzt in Wirklichkeit getroffen haben und inzwischen Freunde sind. Das ist für mich ein Highlight auf dem Album und es schließt sich auch hier ein Kreis von der Vergangenheit in die Jetztzeit.

OÖN: Es haben viele Künstler von Willi Resetarits bis Wolfgang Ambros, von Steinbäcker und Timischl bis Insingizi kleine Beiträge zu deinem Album geleistet. Das wirkt so, als wäre es ein Geschenk an dich gewesen, das du nun weitergibst.

Schiffkowitz: Genau so ist es. Das ist ein schöner Ausdruck. Es war wirklich herzerwärmend, weil fast alle der Mitwirkenden sind nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde. Sie haben alle spontan zugesagt, auch wenn sie oft nur eine Zeile gesungen haben. Das ist klass und etwas Besonderes, wenn so viele Menschen, die dir herzverbunden sind und zu denen du eine Beziehung hast, die weit über das Berufliche hinaus geht, mitmachen.

OÖN: In „Das heilige Feuer“ erzählst du zehn Minuten lang von der Veränderung an jenem Platz in Kreta, der dir seit langem vertraut ist. Hat sich da über die Jahre etwas angestaut?

Schiffkowitz: Diese kretischen Bucht, in der ich seit 30 Jahren bin, bedeutet mir sehr viel, auch sehr viel Heimat. Dieses Lied spannt den Bogen von den Anfängen, wo es dort noch keinen elektrischen Strom gegeben hat, bis jetzt, wo die Bucht in einem ganz normalen Touristenort liegt. Ich habe mir im vergangenen Jahr gedacht, dass ich ganz schön deppert bin.

OÖN: Wieso?

Schiffkowitz: Weil ich 30 Jahre in einen Ort fahre, der übersetzt Heiliges Feuer heißt, und keinen Song daraus mache. Dieser Titel war somit ein Geschenk und ich habe geschrieben und geschrieben und geschrieben. Ich hatte ja noch viel mehr Strophen, aber du kannst die Leute nicht nerven. Jetzt ist das Lied immer noch zehn Minuten lang.

OÖN: Tut es dir weh, dass aus dem unberührten Dorf über die Jahre ein Touristenort wurde?

Schiffkowitz: Nach einer Zeit ist es mir sehr bewusst worden, wie stark sich dieser Ort verändert. Ich habe aber einen Widerspruch in mir. Ich bin ein Mensch, der sich der Veränderung stellt. Im Lauf des Lebens lernst du zu erkennen, dass sich dauernd alles verändert. Deshalb habe ich mir gesagt: Veränderung ist gut. Aber in Kreta war ich beleidigt, wenn jemand einen neuen Zaun aufgestellt hat, ohne dass er mich gefragt hat. Irgendwie hat dort alles so sein müssen, wie es immer war. Ich weiß auch nicht, welchen Vogel ich da gehabt habe. Es war wie ein emotionaler Rettungsanker. Wenn hier alles drunter und drüber geht, dann brauche ich nur dorthin zu fahren und es ist alles beim Alten. Das spielt es aber nirgends im Leben. Es war auch völlig vertrottelt von mir, das anzunehmen. Als die ersten Hotels gekommen sind, war ich aber noch beleidigter und dann habe ich mir irgendwann gesagt: Okay, es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder ich fahre da nie mehr her und denke daheim nostalgisch darüber nach, wie schön das damals war.

OÖN: Was wäre das Resultat gewesen?

Schiffkowitz: Dass ich mir schwer damit tue, weil ich kein Nostalgiker bin. Zudem habe ich mir gedacht, wenn ich daheim sitze und sage, dass früher alles schöner war, dann müsste ich mir eingestehen, vorzeitig gealtert zu sein. Das will ich nicht. Dann habe ich mir gesagt: Okay, alles verändert sich und ich bin dabei. Wenn es mir einmal zu viel wird, dann haue ich ab. Umgekehrt muss ich sagen, dass das Dorf Sinabelkirchen, in dem ich aufgewachsen bin, auch überhaupt nichts mehr mit dem zu tun hat, was es heute ist. Dort rege ich mich auch nicht auf.

OÖN: Verliert man dadurch ein wenig das Gefühl, dass es diesen Ort noch gibt, wo die Zeit ein wenig langsamer vergeht?

Schiffkowitz: Die Zeit vergeht überall auf der Welt gleich schnell. Man hat nur das Klischee vom griechischen Fischer gehabt, der am Strand sitzt und schaut. Aber Klischees bergen immer einen Funken Wahrheit in sich. Aber bei mir war es so, dass man am Anfang alles idealisiert. Dann lernst du die Sprache einigermaßen und hörst, dass am Nebentisch die gleichen Trotteleien geredet werden wie bei uns. Irgendwann pendelt es sich ein, zwischen Träumerei und Realität. Und dann kommt es irgendwann so weit wie jetzt, denn jetzt möchte ich nicht dort sein. Wie es dort zugeht, ist der blanke Horror, wie meine griechischen Freunde mir erzählen.

OÖN: Die einstige Illusion eines einfacheren Lebens wird ja mittlerweile auch bei uns propagiert.

Schiffkowitz: Das ist Zeit geworden bei uns. Mein griechischer Freund Spyra hat einmal zu einem Aussteiger-Kunden gesagt: Ich verstehe dich nicht. Du arbeitest nichts, du tust nichts, was suchst du bei uns? Der Aussteiger-Typ antwortete, dass er eben nach etwas suche, aber nicht genau wisse, wonach. Da hat Spyra gesagt: Wenn du es nicht zu Hause findest, dann findest du es hier niemals. Da hat er meiner Meinung nach zu 50 Prozent recht.

OÖN: Deine Lieder leben auch von den Begegnungen mit Menschen. Wer sich wie du mit Menschen auseinandersetzt, kann viel lernen. Reden wir zu wenig miteinander?

Schiffkowitz: Das kann schon möglich sein. Wir leben in sonderbaren Zeiten. Menschen haben virtuelle Freunde auf Facebook und zählen sie, während ich mir denke, wie das geht. Weil ich habe größte Mühe meine analogen Freunde und Bekannten irgendwie unter einen Hut zu kriegen und es zu schaffen, zumindest losen Kontakt zu halten. Vielleicht ist es altmodisch, aber ich bin überhaupt nicht an virtuellen Freunden interessiert.

OÖN: Der Religion hast du ein Lied gewidmet. Warum war dir das so wichtig?

Schiffkowitz: Ich diskutiere mit vielen Menschen über Religion, weil es ein Thema ist, das mir wirklich am Herzen liegt und mit dem ich nicht wirklich klarkomme. Ich wäre gerne religiös, kann es aber nicht sein. Ich bin sicher kein Atheist, bin wahrscheinlich der klassische Agnostiker. Aber ich glaube sicher an ein höheres Wesen und manchmal glaube ich an beseelte Natur. Ich war Ministrant und wollte sogar einmal Pfarrer werden, aber das hat sich mit der Pubertät dann erledigt.

OÖN: In „Welt ohne Religion“ beziehst du aber nicht Stellung. Warum?

Schiffkowitz: Für mich war es die einzige Möglichkeit, mich dem Thema wirklich zu nähern, indem ich kommentarlos gute und schlechte Dinge der Religion einander gegenüber stelle. Der Hörer oder die Hörerin soll sich dann entscheiden, wie eine Welt ohne Religion aussehen würde. Man kann es sich aber eh nicht vorstellen. Also ich kann es mir nicht vorstellen. Die ganze Kultur auf der Welt würde es nicht geben, wenn es keine Religion gebe. Von banalsten Dingen bis zu erhabenen Bauwerken, von Heiligen bis Schlächtern. Ich beziehe keine Stellung, weil ich es nicht weiß. Für einen gläubigen, im Glauben verankerten Menschen ist das anders. Das ist mir klar. Wenn du aber wie ich ambivalente Gefühle gegenüber der Religion hegst, dann stellst du dir diese Frage und kannst sie nicht beantworten.

OÖN: So wichtig wie Religion ist dir das Thema Heimat.

Schiffkowitz: Das Problem in Österreich ist, dass uns die Nazis den Begriff Heimat entwendet haben und bis jetzt haben wir ihn nicht wirklich zurückgekriegt. Ich bin im Lauf meines Lebens oft gefragt worden, was Heimat für mich ist. Für mich ist so viel Heimat, aber das auf einen Satz zu reduzieren, ist mir nicht gelungen. Deshalb bin ich auch so zornig und fuchsteufelswild auf Menschen wie den Strache, die sagen: Wir definieren, was Heimat ist und wer zur Heimat gehört. Deswegen habe ich ganz bewusst für das Lied die Afrikaner von Insingizi und einen österreichischen Star, der aber Burgenland-Kroate ist, nämlich Willi Resetarits, zum Mittun gebeten.

OÖN: In dem Lied ist alles enthalten, was für dich Heimat ist?

Schiffkowitz: Ja und auch der Umstand, dass ich es nicht wirklich beschreiben kann. Das einzige, das ich weiß, ist, dass man mehr als eine Heimat haben kann. Also zumindest ich.

OÖN: Ist das runde Bild eines Lebens, das sich aus den zehn Liedern des Albums ergibt, für dich auch so rund?

Schiffkowitz: Ja, total. Es schließt sich der Kreis mit dem Anfang vom Hippie-Hotel in Istanbul, mit meiner Tramper-Zeit und dem, was wirklich Heimat für mich ist, Agio Fotia. Ich singe am Ende: Ich werd‘ wohl wiederkommen oder auch net.

OÖN: Im Herbst bist du mit deinen Kollegen noch einmal auf Tour. Es heißt, das ist die letzte große STS-Tournee. Wie darf man das verstehen?

Schiffkowitz: Wir spielen schon so lange, dass wir gesagt haben, dass es eigentlich an der Zeit wäre, die letzte große Tournee zu spielen. Es hatte keine großartigen Gründe. Wir sagen, es ist die letzte große Tournee mit dem Hintergedanken sag’ niemals nie. Aber zu 90, 95 Prozent ist es so, was nicht heißt, dass wir nie mehr spielen. Ich denke mir, aber das sage ich schon länger: Man soll am Höhepunkt abtreten.

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18. April 2024