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„Poll“: Estland 1914 und eine besondere Liebe

Von Von Ludwig Heinrich aus Rom   05.November 2010

Als „Perle im Programm“ wurde der österreichische Beitrag „Poll“ (eine Koproduktion mit Deutschland und Estland) beim Internationalen Filmfestival in Rom gefeiert. Chris Kraus („Vier Minuten“) inszenierte mit einer sensationellen 14-jährigen Entdeckung, der Berlinerin Paula Beer, in der zentralen Rolle. Eine Trophäe bei der heutigen Verleihung der Marc’Aurelio Awards ist durchaus möglich.

„Diesen Film“, sagt Kraus, „wollte ich schon ewig machen. Ende der achtziger Jahre bin ich, als Literatur-Student, auf einen Band der Lyrikerin Oda Schaefer gestoßen. Ich war sehr beeindruckt – und dann stellte ich zu meinem Erstaunen fest, dass sie meine Großtante war. Ihr Mädchenname war Oda Kraus. Sie lebte in Berlin und hatte in ihrer Kindheit Ferien in der baltischen Heimat ihres Vaters verbracht. 1993 war ich zufällig in Estland und stieß auf das echte Gut Poll, wo sie gewesen war. Es war unbeschädigt, stand aber mitten in einer durch die Zeit zerstörten Gegend. Ich dachte: Hier muss ich was machen! Meine Großtante sollte das Rollenmodell für die Hauptfigur sein. 1996 hatte ich ein erstes Drehbuch fertig.“ Zu Oda Schaefer sagt er noch: „Sie gehörte zum inneren Kreis der Emigration. Mit ihren linken Gedankengängen passte sie nicht ins Schema ihrer rechtslastigen Familie. Doch sie blieb während der Nazizeit in Deutschland, leistete auf ihre Weise Widerstand.“

Eines der größten Talente

Der Film „Poll“ und die Wirklichkeit: „Das Herz der Geschichte, die Love Story, ist erfunden. Sie spielt im Sommer 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Auf dem Gut findet die 14-jährige Oda den verwundeten estnischen Anarchisten Schnaps, den sie vor den Kosaken versteckt. Die äußeren Daten stimmen, mich hat vor allem die dysfunktionale Familienstruktur auf dem Gut interessiert.“

Die junge Hauptdarstellerin zu finden, war nicht einfach: „Wir suchten ein Mädchen mit 14, das Reife, Ernst und Härte ausstrahlt und trotzdem eine zauberhafte Figur sein sollte. Wir testeten mehr als 2000 Kandidatinnen, bis wir Paula – auf dem Schulhof – entdeckten. Sie hat eine instinktive, fast erotische Nähe zur Kamera. Ein unglaubliches Geschenk. Sie war bei der Arbeit gut ansprechbar, wie eine Erwachsene. Ich musste nicht tricksen. Für mich ist sie neben Hannah Herzsprung das größte Talent im deutschen Sprachraum.“

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24. April 2024