Migranten erzählen Geschichten

Die Geschichten von Migranten, die in Linz leben und arbeiten, fängt der frühere „profil“-Journalist Ernst Schmiederer für sein filmisches Projekt „Import/Export“ ein. Die erste Serie wurde im Brucknerhaus gedreht.
Der stellvertretende Schulwart aus dem Kosovo, der Wassermeister in Ausbildung aus Bosnien, der Chirurgie-Oberarzt aus der Türkei, die Tschechin vom AEC-Besucherservice – sie blicken in die Kamera, sagen, wer sie sind, warum sie in Linz gelandet sind, was sie hier tun, was aus ihren Träumen geworden ist. So wie der Albaner, der beim FC Liverpool spielen wollte, am liebsten Chirurg geworden wäre und sich mit seiner Pflegeausbildung hier doch einen Teil erfüllt hat.
„Import/Export“ entwickelte sich aus Schmiederers Kolumne in der Österreichausgabe der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“. Darin hat er bisher rund 260 Menschen porträtiert, Ausländer in Österreich und Österreicher im Ausland.
Sein Antrieb, sich Migranten und der Mobilität von Menschen zu widmen? „Es gibt in diesem Land einen politischen Diskurs“, sagt Schmiederer, „bei dem darüber geredet wird, wie werden wir sie wieder los, wie lassen wir sie überhaupt nicht herein, wie lange dürfen wir sie einsperren, bevor wir sie irgendwo hinlassen. Uns stößt das übel auf, weil es nichts mit der Realität zu tun hat, wie wir sie leben. Über die Probleme kann man reden, aber die 98 Prozent des Lebens, die glatt funktionieren, kommen nie vor. Diesen Teil der Erzählung wollen wir in die Welt setzen.“ Mit wir meint er sein kleines Team und seinen Jugendfreund, den Schauspieler Harald Krassnitzer, mit dem er seit fünf Jahren in Wien die Medienproduktionsfirma „blinklicht“ betreibt.
Chancen und Potenziale
Das Projekt, das seit einem Jahr mit einem zum Medienlabor umgebauten Container in Wien unterwegs ist, wird hier mit Unterstützung des Magistrat Linz und stadteigenen Unternehmen umgesetzt, „weil ich glaube, dass Städte ein Interesse daran haben, dass das Thema Migration stärker auf Chancen und Potenziale abgeklopft wird“. Die Linz-Geschichten werden als Ausstellung inszeniert, als Web-TV-Beiträge den Internetauftritten der Firmen zur Verfügung gestellt und im Idealfall über Bildschirme im öffentlichen Verkehr und Raum ein Publikum finden.
Auch Ernst Schmiederer, 1959 in Salzburg mit deutschem Migrationshintergrund geboren, hatte als Bub einen Traum. „Ich wollte immer etwas mit Menschen zu tun haben, Soziologie studieren. Ich bin nicht weit weg von dem gelandet, was ich wollte.“
Was er sich erträumt, wenn er in die Zukunft schaut? Da sei er demütig, nachdem ihm ein Migrant für „Import/Export“ auf dieselbe Frage geantwortet habe: „Wenn ich gesund bleibe und gesund lange lebe, dann ist viel in meinem Leben gut gelaufen.“ Den Traum würde er gerne ergänzen: „Dass wir mit unserem Projekt ein bissl etwas bewegen können“.
Info: www.importundexport.at
Das Buch: Von Drinnen und Draußen
Das Projekt „Import/Export“, das sich gerade nach Linz ausweitet, basiert auf Ernst Schmiederers Kolumne in der Österreich-Ausgabe der „Zeit“. 2005 erschien das erste „Drinnen“-Porträt. „Es ist angenehm in Wien“, erzählte Simron Jit Singh damals: „Wie sauber diese Stadt ist. Der Hundedreck auf den Gehsteigen – ach, der stört mich nicht. Als Inder achte ich darauf, wo ich hintrete. Ich schaue auf den Boden beim Gehen. Nicht in die Luft. Das hilft, meistens.“ Eine Sammlung von „Drinnen“ und „Draußen“ (Österreicher im Ausland) ist im Verlag Wieser (283 Seiten, 24,95 Euro) erschienen.