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Martin Grubinger, Extrembergsteiger unter den Perkussionisten

Von Helmut Atteneder   18.Juli 2016

Der Schweißtropfen tänzelt überraschend lang an der Kinnspitze von Martin Grubinger. Dann löst er sich, klatscht auf einen Stab seines Marimbaphons. Ein Zufall, oder war auch das so vorgesehen? Teil einer Performance, zwar für das menschliche Ohr unhörbar, aber ein unverzichtbares Platsch auf dem Weg zur genialsten aller jemals gespielten Versionen von Joe Zawinuls "Birdland"?

Ein Raubtier im Birdland

Dieses Birdland beginnt im Urwald, ganz klein, immer wieder – von irgendwo her – kommen Tiergeräusche, fährt eine heiße Brise herein. Dann schleicht sich ein Raubtier an. Es heißt "The Percussive Planet Ensemble", und ihr König der Löwen turnt sich von einem Instrument zum anderen: Martin Grubinger.

Gebückt und meist mit einem Lächeln im Gesicht steht er über seinem Marimbaphon, vier Schlägel tanzen über das Instrument, ehe er die kleine Trommel malträtiert und dann hinaufläuft, sich vorbeizwängt an einem Schlagwerk-Konvolut. Dann schlägt er auf Bratpfannen, Mülltonnendeckel und von braunem Rost überzogene Ofenrohre ein. Und immer ist eines gleich: Es ist genial.

Zu den harten Fakten: Martin Grubinger, Weltstar unter den Perkussionisten, 33 Jahre alt, daheim in Neukirchen an der Vöckla und Mitglied des dortigen Musikvereins, lud am Samstagabend zum "Heimspiel" bei Klassik am Dom. 3300 Menschen sahen und hörten dann das eingangs beschriebene Klangfeuerwerk aus Schlagzeug und Bläsern, das seinesgleichen sucht. "Galaktisch" sagten die einen, "geil" die anderen. Alle hatten recht.

Schon nach der ersten Nummer – komponiert von Martin Grubinger sen. – ist das Publikum im Staunen verhaftet, in der Fassungslosigkeit paralysiert, beginnt wie von fremder Hand gesteuert mitzuwippen. Oberschenkel und Köpfe scheinen sich selbständig zu machen. Neben der für Laien fast unbegreiflichen Kunstfertigkeit des Multiperkussionisten und seiner Musiker ist es die zur Schau gestellte Spielfreude, die ansteckt. Bei seinen Anmoderationen mutiert Grubinger zu einem von ihnen. Freundlich, nett, begeistert. So normal, so natürlich, gibt er die Liebe zu seinen Instrumenten weiter. Dann beginnt er wieder ein Zwiegespräch mit der Marimba, lächelt das Instrument an, holt das Letzte aus dem Instrument und sich selbst heraus. Zuvor trocknet er seine Hände und greift in Magnesiumpulver. Grubinger, der Extrembergsteiger. Egal, ob Gershwin, Sting oder Mahler, ob Salsa, Tango oder Swing: Jede Performance geht steil bergauf, schwappt über, lässt sich wieder einfangen, um gleich wieder auszubrechen – mit einer fantastischen Liebe zum Detail.

An diesem Abend sind viele kleine Schweißtropfen über das Kinn eines großen Meisters getropft. Als Zuseher hatte man zum Schluss das seltsame Verlangen, sich für jeden einzelnen dieser Tropfen zu bedanken.

Klassik am Dom: "Heimspiel" mit Martin Grubinger und The Percussive Planet Ensemble, 16.7.

OÖN Bewertung:

 

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23. April 2024