Leonard Cohen: Der alte Mann und sein Bekenntnis

Mit 77 Jahren meldet sich Leonard Cohen, der „Lord Byron des Rock’n’Roll“, noch einmal zu Wort. Heute erscheint sein zwölftes Studioalbum „Old Ideas“. Ein berührendes Meisterwerk, das dunkle Todespoesie mit augenzwinkerndem Humor verbindet.
Leonard Cohen ist kein Musiker. Er ist ein Poet, der zufällig Musik macht. Der mittlerweile 77-Jährige ist ein Dichter, der Worte von alttestamentarischer Wucht in vierminütige Songs gießt. Die Wonnen und Abgründe der Liebe, die nagende Einsamkeit, das Leben im Wissen um die eigene Vergänglichkeit – all diese existenziellen Themen verhandelte der Kanadier in seiner langen Karriere stets mit einem humorvollen Augenzwinkern, ohne jemals in Larmoyanz zu verfallen. In Texten, gespickt mit grandiosen Aphorismen, die man sich ohne Bedenken auf den Grabstein oder den Ehering meißeln lassen könnte.
Cohens heute erscheinendes Studioalbum „Old Ideas“ ist ein Meisterwerk. Und sein Sündenbekenntnis. In zehn Liedern voll erschütternder Offenheit zieht der „Ladies’ Man“ Bilanz: Über all die Frauen, die er zwar liebte, aber nicht halten konnte. Über das Leben, das ihm immer wieder Prügel vor die Füße warf, das er aber bis zum letzten Atemzug zu genießen gedenkt. Über die Suche nach dem Sinn des Seins, die zwar nicht erfolgreich, aber kurzweilig war.
Reduzierte Instrumentierung
Ein Kraftakt, der dem Altmeister mit der seelentiefen Brummstimme nicht zwingend zuzutrauen war. Cohens vorangegangene Alben, „Ten New Songs“ (2001) und „Dear Heather“ (2004), waren nämlich bestenfalls durchschnittlich. Wunderbare Lyrik zwar, die aber von einer völlig unpassenden Soundtapete aus billigen Synthesizern und einfallslosen Computersounds komplett verhunzt wurde.
Dankenswerterweise ist „Old Ideas“ von diesen produktionstechnischen Schandtaten meilenweit entfernt. Stark reduziert, ja ausnehmend karg sind die zehn Lieder auf Cohens zwölftem Studiowerk instrumentiert. Eine angejazzte Slidegitarre, eine leicht wimmernde Orgel und ein sanft klimperndes Piano – das war’s. Wäre da nicht der zuckersüße Begleitgesang der „Webb Sisters“, könnte man sich an die spartanischen Aufnahmen des späten Johnny Cash erinnert fühlen.
Ebenso wie der „Man In Black“ läuft Leonard Cohen in der Nachspielzeit seines Lebens zu formidabler Form auf. Im grandios selbstironischen Auftaktstück „Going Home“ schlüpft er dafür sogar in die Rolle von Gott, der sich auf die Suche nach einem gewissen Leonard, einem „faulen Bastard im Anzug“, macht. Auch „Crazy To Love You“, „Different Sides“ und „Anyhow“ schaffen meisterlich den Spagat zwischen tiefschwarzer Todespoesie und schelmischem Humor.
Spätestens aber wenn der alte Mann in dem herzerweichenden „Show Me The Place“ seine Geliebte bittet, den großen Stein vor seinem Grab wegzurollen, da er schon zu schwach sei, oder in dem bluesigen „The Darkness“ murmelt „Ich habe keine Zukunft, mir bleiben nur mehr wenige Tage“, dann treibt es dem größten Zyniker das Nasse in die Augen.
Eine tief bewegende Platte.