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Komapatient Fernsehen

Von Helmut Atteneder   06.Oktober 2018

Der deutsche Digitalisierungsbericht – und dessen Zahlen sind auf Österreich umlegbar – untermauert es: Beim Medienkonsum bleibt in Zukunft kein Stein mehr auf dem anderen. Stirbt das lineare Fernsehen aus? Der Wiener Medienforscher Andy Kaltenbrunner sagt knapp: "ja".

 

OÖNachrichten: Herr Kaltenbrunner, das Smartphone hat heuer erstmals den Fernseher als wichtigsten Bildschirm abgelöst.

Andy Kaltenbrunner: Jeder, der offenen Auges durch die Welt geht, erlebt das täglich. Wenn man in Wien in eine U-Bahn einsteigt, in der früher Gratiszeitungen gelesen wurden, schauen heute die Menschen auf ihren Screen und tun was auch immer. Dieser Prozess ist unaufhaltsam und wird noch ein gutes Stück weiter gehen.

Ein weiterer Trend, der nicht aufzuhalten ist, ist Video on Demand. Das höchste Gut der jungen Medienkonsumenten ist offenbar die Freiheit, zu schauen, wann und wo sie gerade auf etwas Bestimmtes Lust haben.

Kinder und Jugendliche bis hin zur ersten Generation der Digital Natives, also den heute 30- bis 35-Jährigen, sind selbstbewusster bei der Nutzungsautonomie, weil sie wissen, was geht und wie es geht. Das wächst dann mit der Alterskohorte mit. Die Generation 60 plus tickt da noch ganz anders.

Das heißt, in spätestens 40, 50 Jahren ist das lineare Fernsehen ausgestorben?

Genau. Man muss es so sagen. Das schließt aber nicht aus, dass es beim linearen Fernsehen so etwas wie Orientierungsanker gibt. Da wird es einen News-Sektor geben, der linear auch weiter funktionieren wird.

Gab es eine Art Erweckungserlebnis, einen Ereignis, bei dem es mehr Abrufe im Internet gab, als klassische TV-Zuschauer?

Es gibt ein schönes Beispiel, bei dem ein Paradigmen-Wechsel spürbar war, was die mobilen Endgeräte und die Autonomie betraf. Das waren die Olympischen Spiele 2012 in London, als BBC-Mitarbeiter völlig verblüfft festgestellt haben, dass mehr Abrufe über das Internet kamen als über die Fernseh-Live-Übertragung.

Medienwissenschafter sehen einen Trend, dass Menschen künftig digitale Medien bewusster und nicht mehr so unreflektiert konsumieren.

Das ist Wunschdenken. Die Menschen, die vorher in der Lage waren, eine bewusste Auswahl zu treffen, Quellen zu erkennen und ein Medienmenü für sich zusammenzustellen, das ihnen bei der Orientierung hilft, sind das auch tendenziell beim digitalen Medienkonsum. Junge, die vielleicht nicht einschätzen können, wie die Quellenlage ist und immer schon ein Problem hatten mit der Orientierung, die haben das auch in der Netzwerk-Gesellschaft.

Was muss ein öffentlich-rechtlicher Sender, der überleben will, jetzt machen?

Die erste Empfehlung sind neue Gesetze. Es gibt ja absurde Einschränkungen, was die Kommunikation mit den Gebührenzahlern betrifft. Da darf der ORF über gewisse Social-Media-Kanäle nicht mit mir sprechen, TV-Thek-Inhalte dürfen nur sieben Tage nach der Erstausstrahlung abgerufen werden. Nehmen wir an, es gäbe diese Gesetzesänderung, dann ist der Punkt für alle Sender: Kanal egal. Was immer ich herstelle, muss über jeden Kanal sofort linear und später on Demand für welches Endgerät auch immer verfügbar sein.

Bedeutet das, dass man als Konsequenz nicht mehr so viele lineare Sender betreiben muss, wenn alle Inhalte über so genannte Player laufen, die im Internet abrufbar sind?

Genau, das ist eine mögliche Konsequenz. Diese klare, lineare Kanalunterscheidung wird immer weniger bedeutsam. Entscheidend ist, welchen Inhalt ich habe und wo ich mein Publikum abhole.

Wie sehen wir 2050 fern?

Wenn ich das wüsste… Wir können zwar Trends sehen, aber was da kommen wird, können wir heute noch gar nicht denken. Ob es dann heißt, dass wir Nachrichten aufs Smartphone bekommen oder direkt ins Ohr oder ob wir einen Chip in der Iris eingebaut haben oder gar keinen Chip mehr brauchen, das ist doch alles zu kühn.

 

Fernsehen und Zukunft

 

Smartphone vor TV-Gerät: Das Smartphone hat den Fernseher als wichtigsten Bildschirm abgelöst. 37 Prozent der über 14-Jährigen verwenden hauptsächlich das Smartphone, nur noch 32,1 Prozent den Fernseher. Bei den 14- bis 19-Jährigen beträgt das Verhältnis bereits 74,7 zu 3,3 Prozent. Erst ab 50 Jahren wird das TV-Gerät wichtiger als das Smartphone.

VoD vs lineares TV: Bei den unter 30-Jährigen nutzen 62 Prozent primär Video on Demand (VoD)-Angebote. Nur 29 Prozent nutzen das lineare TV-Programm. Insgesamt ist das Verhältnis noch umgekehrt, der Wendepunkt verläuft innerhalb der Dekade der 30- bis 39-Jährigen.

Junge schauen VoD, ältere in die Röhre Bei den 14- bis 29-Jährigen nimmt VoD mit 55,8 Prozent mehr als die Hälfte des gesamten Bewegtbild-Konsums ein. Die lineare Nutzung beträgt nur noch 28,7 Prozent.

VoD (Video on Demand) Beim „Video auf Anforderung“ werden via Internet Serien, Filme, Dokus, Video-Clips usw. (etwa bei Netflix, Amazon Prime, Sky-Ticket, YouTube oder TV-Theken) zeit- und ortsunabhängig auf ein Endgerät nach Wahl (Smartphone, Tablet, PC, TV-Bildschirm) gestreamt (geströmt).

* Quelle: Deutscher Digitalisierungsbericht ‘18

 

Streamst du schon oder schaust du noch fern?

 

"Seit zwei, drei Jahren streame ich nur noch. Denn damit kann ich mir das, was ich sehen will, dann anschauen, wann ich es will. Das mache ich über Apple-Tv, Amazon-prime oder YouTube.“
Stefan Stiasny, (43), Linz

 

"Am Fernsehen stören mich einerseits die beschränkte Filmauswahl und andererseits die langen Werbepausen. Daher bevorzuge ich es, meine Fernsehabende mit Netflix und Co. zu verbringen.“
Kristina Aigner, (24), Altheim

 

"Wir suchen gezielt auf Amazon-prime nach Filmen, die die ganze Familie sehen will. Serien schauen wir nicht. Bei uns beträgt das Verhältnis streamen zu fernsehen ungefähr 50 zu 50.“
Andrea Leeb, (53), Buchkirchen

 

"Ich habe keinen TV-Anschluss, sondern streame nur noch via Netflix meine Sendungen. Liveshows wie Circus HalliGalli oder Fußball gehen ein wenig ab, aber selbst das lässt sich streamen.“
Jana Haider, (22), Steyr

 

 

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25. April 2024