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"Ich habe ihn raffinierter ermordet"

Von Julia Evers   10.Jänner 2018

Ein Buch war es, das Evelyn Grill zu Fall brachte. Die 75-Jährige war auf einen Sessel gestiegen, um nach oben im Regal zu gelangen, stürzte und laboriert seitdem an einer schmerzhaften Hüftverletzung. Ihrem gepflegten Äußeren und ihren schriftstellerischen Ambitionen tut das keinen Abbruch.

"Die, die geschrieben haben, waren für mich etwas Besonderes." Schon als Kind hatte Evelyn Grill ein besonderes Faible für Literaten: "Wir waren bei Donauland und bekamen die Kataloge mit den Büchern zugeschickt. Dort habe ich mir die Bilder der Schriftsteller ausgeschnitten und ein Dichteralbum angelegt."

Dennoch blieben ihre eigenen schreiberischen Ergüsse in Garsten auf ihre Tagebücher beschränkt. "Was man halt in der Pubertät so schreibt, mein Tagesablauf in der Handelsschule, meine Einsamkeiten. Ich hatte keine glückliche Pubertät, aber wer hatte schon eine?" Sie heiratete, zog nach Ebensee, bekam drei Kinder. Auch noch etwas anderes sein zu dürfen als Mutter, war für Grill damals nicht einfach. "Diese Enge! Für eine Hausfrau war das unpassend, mit drei Kindern sollte man doch ausgefüllt sein", sagt sie: "Ich dachte immer, wenn ich irgendwo in einer Zeitung eine Kurzgeschichte unterbringe und Geld dafür bekomme, dann kann ich mich rechtfertigen, dass ich meine Zeit den Kindern wegnehme."

800 Schilling für eine Geschichte

Doch die Versuche scheiterten, Grill gab den Traum vom Schreiben auf. Als die Familie nach Linz umzog und auch die jüngste Tochter zur Schule ging, sah sich Grill plötzlich in der Lage, Vorlesungen und Lesungen zu besuchen und wieder zu schreiben. "Ich habe Kontakt mit Autoren aufgenommen, vor allem mit Gertrud Fussenegger, weil ich dachte, die kann mir sagen, ob ich Talent habe oder nicht", sagt sie. "Ich habe ihr also eine Kurzgeschichte zukommen lassen, und sie antwortete mir vorsichtig angetan: ,Schreiben Sie weiter, aber nur, wenn es Ihnen Daseinsnotwendigkeit ist.‘" Auf diese Frage hat Grill noch immer keine vollständige Antwort gefunden. "Das Schreiben ist manchmal Lust, aber nie Qual. Es ist mehr eine Freude. Man hat immer etwas zu denken, wälzt diesen Stoff und kommt nicht weiter. Zuerst stehst du wie ein Ochs vorm Tor, dann rennst du mit deinen Gedanken gegen das Tor an, und plötzlich weißt du, wie es weitergeht."

Als sie endlich ihr Ziel erreichte und eine Geschichte von ihr in einer Zeitschrift abgedruckt wurde, war sie außer sich vor Freude: "Das war ein solches Glücksgefühl. Da stand mein Name – Evelyn Grill. Plötzlich hatte ich einen Namen!"

800 Schilling bekam sie für diese Kurzgeschichte, über eine "Hausfrau, die Fluchtbewegungen macht". Ihr erstes selbstverdientes Geld gab sie für alle anderen, aber nicht für sich selbst aus. Trockenes Fazit: "So großzügig bin ich heute nicht mehr."

Nach der Scheidung folgte sie ihrem zweiten Mann nach Deutschland, studierte dort Kunstgeschichte und fand endlich die Freiheit und die Zeit, Bücher zu schreiben. Eine vergnügliche, aufregende Arbeit: "Als ich meinen Kunstkrimi ,Schöne Künste’ geschrieben habe, ging ich durch die Ausstellungshalle und sah schon den Museumsdirektor im Blut liegen. In der Endversion habe ich ihn dann raffinierter ermordet und in einem Wachs-Sessel erstickt."

"Was für eine Begrüßung!"

Derzeit versucht Grill einen oberösterreichischen Kriminalfall aus jüngster Zeit in einen Roman umzuwandeln – "aber gerade zweifle ich, ob es gelingt". Dass sie sich nach dem Tod ihres zweiten Mannes im Jahr 2011 im vergangenen April von ihren Kindern überreden ließ, nach Linz zurückzukehren, freut sie. "Der Landeskulturpreis ist die Bestätigung, dass es richtig war. Was für eine Begrüßung!"

Noch etwas anderes kann Evelyn Grill wohl als Bestätigung sehen. Ihre Bücher von "Der Sohn des Knochenzählers" bis hin zu "Der Sammler" gibt es bei Donauland zu bestellen.

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25. April 2024