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Glück und Untergang der Traunsee-Piraten

Von Klaus Buttinger, 11. Juli 2015, 06:04 Uhr
Glück und Untergang der Traunsee-Piraten
1000 n. Chr.: Der oberste Traunsee-Pirat und seine Gemahlin prüfen die Güte der Beute. Die Schiffer haben das Salz anstandslos herausgerückt. Bild: Ferienregion Traunsee/Klemens Fellner

Lokalaugenschein bei den Filmaufnahmen zur "Bergwelten"-Dokumentation "Salzpiraten" in Traunkirchen, wo die Äxte flogen und die Schwerter klirrten.

Der Frühwind schiebt die letzten Nebelfetzen des erwachenden Tages aus dem Eibenwald. Es ist nicht ganz so still wie sonst auf dem markanten Hügel, von dessen Gipfel aus der Traunsee fast gänzlich zu überblicken ist. Hier und dort mischt sich lautes Schnarchen unter das Rascheln der Zweige. Noch vor wenigen Stunden haben sich die bärtigen Männer in ihren Lederjoppen zugeprostet. Jetzt schlafen sie, gesättigt von den Hühnern, die über dem Lagerfeuer brieten, müde vom ausgelassenen Fest zur Sommersonnwende.

Da knackt ein Zweig unter einem Stiefel. Behelmte Soldaten in Kettenhemden schleichen den Hügel empor. Es sind die Schergen des Grafen Otakar. Ihr Ziel ist es, die wilden, respektlosen Männer auszuschalten. Die Tochter des Räuberhäuptlings wacht auf, sieht die Häscher kommen und schreit in Panik ihren Stamm aus dem Schlaf. Schnell entbrennt ein heftiger Kampf, Äxte fliegen, Schwerter krachen auf Schilde, Blut spritzt. Die Piraten geben sich nicht geschlagen ...

Glück und Untergang der Traunsee-Piraten
Die Schergen des Grafen (Schwertkämpfer der Burg Clam) greifen an. Schlägt dem Piratenanführer die letzte Stunde?

Die Schergen des Grafen (Schwertkämpfer der Burg Clam) greifen an. Schlägt dem Piratenanführer die letzte Stunde?

 

Mittelalterliche Piraten am Traunsee? Süßwasserschurken mit Totenkopfflagge? Wie Jonny Depp und Konsorten im "Fluch der Karibik" darf man sich die Traunsee-Piraten nicht vorstellen, die rund um die erste Jahrtausendwende von Traunkirchen aus operierten. Vielleicht waren sie ein groß gewachsener Menschenschlag wie die "Riesen" aus Viechtau, die laut Überlieferung zwei Meter groß wurden. Oder wilde Bajuwaren (siehe Interview Seite 3) oder Mitglieder eines versprengten Slawenstamms.

Glück und Untergang der Traunsee-Piraten
Heute berichtet nur eine Tafel über dem Portal der Johannesbergkapell von den die Piraten

Viel weiß man nicht über die Traunsee-Piraten, dass sie existiert haben, ist jedoch ziemlich sicher. Zwei über dem Portal der Johannisbergkirche in Traunkirchen angebrachte Tafeln berichten, dass "dieser Berg einst ein Schlupfwinkel heidnischer Piraten war". Wann das war, wird verschwiegen. Die zweite, auf Latein abgefasste Tafel, verweist auf alte Berichte, "Ex anteriori Historia". Eine dünne Faktenlage, die den Linzer Journalisten und Historiker Andreas Hutter zu Recherchen reizte. Im Katalog der Salzkammergut-Landesausstellung 2008 erschien erstmals seine Abhandlung über die "Piraten am Traunsee". Unter Einbeziehung von Legenden, Sagen, Bildzeugnissen und wenigen schriftlichen Quellen grenzte Hutter gut nachvollziehbar die Zeit ein, in der die Seeräuber vom Traunsee umgingen: zwischen den Jahren 955 und 1000 nach Christus.

"Als ich diese Geschichte zum ersten Mal las, war ich sofort wie elektrisiert", sagt Fritz Kalteis, Regisseur und Mitinhaber von Metafilm. "Piraten, mitten in den Alpen, an einem österreichischen See. Das war Grund genug, der Legende auf den Grund zu gehen." Gesagt, Drehbuch geschrieben und getan. Die Filmcrew fiel vergangene Woche in Traunkirchen ein und drehte für drei Tage und eine Nacht. Das Ergebnis wird voraussichtlich am 27. November unter dem Titel "Die Salzpiraten vom Traunsee – Freibeuter des weißen Goldes" in der Serie "Bergwelten" auf ServusTV zu sehen sein.

Opferplatz seit der Steinzeit

Mystisch. Das Adjektiv fällt einem sofort ein, wenn man auf dem Plateau des Johannesberges steht und über den See blickt. Tatsächlich weist der Platz eine lange, bewegte Geschichte auf. Hier wurden Steinbeile gefunden, die mehr als 5000 Jahre alt sind. Der Ort galt über Jahrtausende als Opferplatz für diverse Gottheiten. Aus Ausgrabungen weiß man, dass hier Brandopfer – Menschen und Tiere – dargebracht wurden. Gott Baal wurde gehuldigt, woran der lokale Berggipfel Baalstein erinnert.

Rund um die erste Jahrtausendwende mussten am "Trunseo" Christen und Heiden zeitgleich gelebt haben. Ungarneinfälle und bayerische Landnahme lassen eine umstürzlerische Zeit erahnen, in der sich das Schicksal der Piraten entschied.

Glück und Untergang der Traunsee-Piraten
Lukas Pawelka schlug die Cister zur Sonnwendfeier der Piraten.

Lukas Pawelka schlug die Cister zur Sonnwendfeier der Piraten.

Drehort Johannesberg, Fest der Piraten, 22 Uhr: "Und bitte los", fordert Regisseur Kalteis die Schauspieler auf. Da schüttelt der Tonmann den Kopf und lässt den Mikrofongalgen sinken. Es nähert sich ein Partyboot und umfährt die kleine Halbinsel unter Absonderung von Humpta-Musik und hirnerweichendem Animationsgeplärr. Warten, bis es wieder heißt: "Und los!" Plötzlich knallt es, Glutstriche ziehen in den Himmel, ein Feuerwerk; und noch eins, zwei Hochzeiten im Seehotel. Warten. Endlich Ruhe. "Und los!" Bim-bam, jetzt läuten die Glocken der Klosterkirche. Es ist zum Verzweifeln, doch Kalteis bleibt ruhig wie ein Fels im See. Alle sehnen sich mittlerweile nach Stille à la Mittelalter. Es wird ein Uhr in der Nacht, bis die Schauspieler und das Team ins Bett dürfen. Tagwache 3.30 Uhr. Das ist hart. Aber es gibt nur ein Zeitfenster, den Angriff der Soldaten zu drehen: im Morgengrauen.

Noch mehr Todesfälle am See

Noch ein wenig müde schlendert die Frau des Piratenhäuptlings, gespielt von Martina Poel, zum Drehort. Die Wienerin fühlt sich in Traunkirchen wohl, was gut ist. Denn hierher übersiedelt das Filmteam der Serie "Vier Frauen und ein Todesfall", das bisher im Mondseerland gedreht hat. Poel gibt in der brachialhumorigen Produktion die neue Bürgermeisterin. In der zweiten Septemberwoche bis in den Dezember hinein wird der Traunseeort zur Kulisse für acht Folgen des illustren Krimiquartetts. "Es ist ein sehr lustiges Drehbuch", sagt Poel – und angesprochen auf den immer überzogener wirkenden Humor der Serie: "Das ist halt österreichischer Sarkasmus. Es werden ja keine obskuren, an den Haaren herbeigezogenen Geschichten erzählt, sondern zum Großteil solche, die tatsächlich passiert sind." Die Crew spiele die Produktion von Herzen gerne. "Wir lieben unsere Figuren." Bald auch am Traunsee.

Glück und Untergang der Traunsee-Piraten
Johannesberg in Traunkirchen

Über dessen Wasser in der Bucht von Traunkirchen flitzen schon bald mächtig, den Frühwind ausnutzend, Skite- und Wind-Surfer und Segler mit Ernsthaftigkeitsanspruch. Wasserklatscher und Segelgeknatter mischen sich heute mit Schlachtenlärm vom Johannesberg. Für die Kampfszenen wurde der englisch-österreichische Schwertkampfexperte Christopher Bond von den Schwertkämpfern der Burg Clam engagiert. Er fordert dem Piratenhäuptling, gespielt von Michael Joachim Heiss, alles ab. Schon zeigt das Thermometer mehr als 25 Grad und der Schweiß rinnt in die Kettenhemden und in die dicken, teils ledernen Kostüme, die vollauf authentisch wirken. Keine Hexerei, sie stammen aus dem Fundus der Barandov-Studios in Prag, die Serien wie "Game of Thrones" oder die "Chroniken von Narnia" ausstatten.

Die Helden im Hintergrund der Produktion sind lokale Fachleute und Vereine, die mithelfen, dass die "Salzpiraten" glaubhaft über den Bildschirm kommen. Die historische Musik etwa wurde von Sabine Zopf und ihren Schülern von der HTBLA für Instrumentenbau in Hallstatt auf selbstgebauten, mittelalterlichen Instrumenten und nach Kompositionen von Kurz Adamatz gespielt. Der Mauthausner Kajakverein Blaunasen stellte seinen selbst gefertigten Einbaum als Piratenflaggschiff zur Verfügung: ein 800 Kilo schwerer, ausgehöhlter Schwarzpappelstamm, der zehn Meter lang ist. Ebenso lange ist die Zille vom Schifferverein Stadl-Paura, die von den Piraten spektakulär überfallen wird.

Glück und Untergang der Traunsee-Piraten
Schwere Requisite: Ein 800 Kilo schwerer Einbaum, mühevoll von Hand gebaut vom Mauthausner Kajakverein Blaunasen, wird zum Piratenboot. Bild: OÖN/but

Schwere Requisite: Ein 800 Kilo schwerer Einbaum, mühevoll von Hand gebaut vom Mauthausner Kajakverein Blaunasen, wird zum Piratenboot.

Widerstand war zwecklos

In Wirklichkeit dürfte ein Überfall auf Zillen und Plätten der Salzschiffer, die von Ischl und Ebensee kommend die Seeenge zwischen Traunkirchen und Karbach passierten, anno dazumal eine äußerst haarige Angelegenheit gewesen sein. "Wer Widerstand leistet, landet an der mit 191 Metern tiefsten Stelle des Gewässers in eben diesem", schreibt Historiker Andreas Hutter: "Was einem Todesurteil gleichkommt. Zwar noch nicht mit solch salzamtlicher Herzlosigkeit wie in späteren Jahrhunderten, aber doch haben die Salzherren drauf geachtet, dass ihre Schiffer nur ja nicht schwimmen konnten, damit sie selbst im schwersten Unwetter bei ihrer Fracht ausharrten."

Salzpiraten
Der oberste Salzpirat (Michael Joachim Heiss) präsentiert Beute und Töchter, (v. l.) Nora Huber und Valentina Kalteis. Bild: (clemens fellner /traunsee-touris)

Wahrscheinlich aber lief die Umverteilung des Salzes zu den Piraten nach anfänglicher Gewaltanwendung ritualisiert ab. Drehbuchautor und Regisseur Kalteis hält es für "unwahrscheinlich, dass ganze Salzladungen geraubt wurden. Das hätte den Handel zum Erliegen gebracht und wäre nicht nachhaltig gewesen." Vielleicht wurde eine Art Zoll eingehoben (siehe Interview unten).

Wer aber machte den Piraten den Garaus? Der Legende nach taten sich die bayerisch-steirischen Grafen Otakar V. von Chiemgau und Leotold II von Raschenberg-Reichenhall zusammen, um die Gegend des Traungaus von heidnischen Räubern zu säubern. Mit Erfolg. Das Piratenschloss "wurde 1020 in ein Kloster umgewandelt", berichtet Hutter. Leider vernichteten zwei Brände, 1327 und 1632, die Abtei und somit die Archive, die bestimmt mehr über die "Salzpiraten" verraten hätten.

Unter all den Spekulationen gilt jedenfalls eine Erkenntnis als historisch unanfechtbar. Statt ungläubiger, ungezähmter Männer hatten ab 1020 in Traunkirchen katholische Nonnen das Sagen.

 

Im Gespräch mit "Salzpiraten"-Regisseur Fritz kalteis
Fritz Kalteis

Im Gespräch mit „Salzpiraten“-Regisseur Fritz Kalteis

 

Fritz Kalteis’ Produktionsfirma Metafilm realisiert die Dokumentation „Salzpiraten“, die voraussichtlich am 27. November in der Reihe „Bergwelten“ auf Servus TV gesendet wird.

OÖN: Im Ernst! Gab es wirklich Piraten am Traunsee?

Kalteis: Nicht so, wie man sich heute Piraten vorstellt, die mit Totenkopfflagge auf dem Mast herumkreuzen. Was es gegeben hat, waren Räuber, die den See genutzt haben, um an ihre Beute zu kommen.

Was gab es für die Räuber zu holen?

Laut Raffelstetter Zollordnung, die in der Zeit um die erste Jahrtausendwende den Warenverkehr im Traungau regelte, war das Einzige, was es damals hier zu holen gab, Salz.

Was spricht für Traunkirchen als Piratennest?

Die Lage an der Engstelle im Traunsee und die Erreichbarkeit von Norden als auch von Süden. Hier konnte man gut anlegen und hatte fast den gesamten Traunsee im Blick.

Welcher Ethnie ließen sich die Salzpiraten zuordnen?

Schwer zu sagen. Möglicherweise den Bayern, es war ja die bayerische Landnahme im Gang. Der Linzer Historiker Roman Sandgruber hält auch eine slawische Bevölkerung, die von Süden kam, für möglich. Dafür spräche auch die Zuschreibung auf der Tafel an der Johannesbergkirche, wonach die Piraten heidnisch gewesen seien.

Wie hoch ist der Anteil der Fiktion in der Dokumentation?

Wir müssen uns viele Sachen vorstellen, weil wir sehr wenig wissen. Aber unsere Vorstellungen fußen auf Erkenntnissen, die es gibt. Wir arbeiten mit Analogieschlüsseln, mit Ableitungen aus ähnlichen Zeiten an anderen Orten auf Basis von Archäologie und Geschichtsforschung. Wir kommen zum Schluss, dass die Piraterie vom Traunsee eine frühe Form des Raubrittertums war.

Und wer hat die beendet?

Vermutlich ein übergeordneter Grundherr, der auf ältere Rechte pochte. Die Piraten hatten sich wahrscheinlich in das Machtvakuum nach den Ungarnstürmen im Traungau gesetzt, um Zölle anstelle des zerstörten Klosters Altmünster einzuheben.

Quasi ein Raubzöllnertum?

Ja, vielleicht so ähnlich wie in der Sage um die Kuenringer, die mit einer Kette die Donau abgesperrt haben sollen.

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