Faust auf Mühlviertlerisch
Goethe hat es auch getan, aber nicht nur deshalb hat Joschi Anzinger seinem „GRANIDD fausdd“ einen zweiten Teil vergönnt. Die Geschichte musste auch für ihn eine Fortsetzung finden.
Mit der Kraft des Dialekts seiner Kindheit hat Anzinger nach der Nibelungen-Sage auch den klassischen Faust-Stoff ins Mühlviertel übertragen. Mit dem jetzt erschienenen „taö zwoa“ des „GRANIDD fausdd“ schließt der am Pöstlingberg in Linz lebende Mundart-Schreiber eine Trilogie ab.
Die Geschichte von Faust und Mephisto – bei Anzinger „fausdd“ und „ganggarl“ – hat so eine Dynamik und Substanz, dass sie für ihn einfach weitererzählt werden musste. Schließlich geht es um die große Frage der Menschheit, was nach dem Tod sein wird. „Wir hoffen, dass es mit dem Tod nicht zu Ende ist, dass unsere Seele, diese Energie in einer anderen Form, auf einer anderen Ebene weiter existiert. Aber wir wissen es eben nicht“, sagt Anzinger im Gespräch mit den OÖNachrichten.
Fasziniert vom Übergang der realen Ebene in eine fantastische Welt, versuchte er auch diesmal seiner eigenen Vorgabe gerecht zu werden, nämlich einer alten Geschichte neues Leben einzuhauchen.
Die für „taö zwoa“ notwendige Reise zu den Göttern startete mit einer intensiven Auseinandersetzung mit der nordischen Mythologie. Die schien dem Mühlviertler für „seine“ Region viel näher als die griechische. Viele Recherchen und Fragen an viele Menschen waren notwendig, um die Basis für seine „Übersetzung“ zu finden. Überzeugt davon, dass Interesse der beste Lehrmeister ist, fand er auch viele magische Orte im Mühlviertel, um die sich Mythen ranken und die sich ideal dazu anboten, in seiner Geschichte Einzug zu halten.
So viel Wissen sich Anzinger auch aneignete, die Umsetzung war nicht einfach. „Ich wollte die Götter in unsere Welt transponieren, habe nach passenden Namen für die Asen, die Nornen, die Walküren oder die Druiden aus der germanischen Götterwelt gesucht. Das war nicht leicht, da muss man sehr geduldig sein.“
Mit Geduld zum Ziel
Seine Geduld sollte sich lohnen. Beispiel Asen: 15 davon gibt es, Göttervater Wotan („wodan“), seine Geliebte Riesin („d augnwoad“) und die Fruchtbarkeitsgöttin Freya („d windlbeirin“) standen bald fest. Für die anderen fand Anzinger die passenden Namen, als er wusste, in welchen Bezug er sie setzen sollte. Die 12 symbolisierte schließlich die 12 Monate des Jahres, und so bekamen sie alle nach und nach ihre Namen. Aus „Uller“, dem Jänner, wurde „s weissi nix“, aus Gesippin, dem Juli „s scheni mendsch“, aus Hödur, dem Dezember, „da loungmounddl“.
Im Bewusstsein, dass uns die Göttergeschichten schon sehr fremd sind, wurde es für ihn zur Herausforderung, dass sich alle etwas vorstellen können. Darauf ist die Geschichte aufgebaut, die Anzinger auf seine Art neu erzählt.
Als „saftig und poetisch“ bezeichnet Roland Girtler im Vorwort die Sprache von Anzinger. Beeindruckend sei die literarische Kraft und Magie seines Dialektes, und man komme aus dem Staunen nicht heraus, was die Mundart alles zu leisten imstande sei.
Die Sprache des Herzens ist nicht leicht zu lesen, der Ungeübte tut sich schwer damit. Deshalb liest Anzinger auch den zweiten Teil seines „GRANIDD fausdd“ auf vier dem Buch beiliegenden CDs. Begleitet von der Mühlviertler Okarinamusi, seit elf Jahren seine kongenialen musikalischen Weggefährten, öffnet sich so leichter die Mühlviertler Welt des Faust.
Die Stärke der Mundart
Joschi Anzinger ist mit seiner Herkunft derart verwurzelt, dass in seinem literarischen Schaffen die „Sprache, die wir sprechen“, stets bestimmend war und geblieben ist. „Im Dialekt bin ich am ehrlichsten“, sagt er. Und doch weiß er nicht genau, warum gerade ihn die Mundart, mit der er aufgewachsen ist, nie verlassen hat.
Die Schriftsprache, die er in der Schule gelernt hatte, sei schon damals eine Art Fremdsprache gewesen. Heute schreibe er zwar auch in der Schriftsprache, aber er müsse dafür anders denken. Die Mundart sei ihm deutlich näher. „Das ist eine intuitive Geschichte, die ich nicht wirklich erklären kann. Im Dialekt bin ich vielleicht mehr ich. In der Schriftsprache muss ich mich mehr verstellen, und das möchte ich nicht.“
Mit dem zweiten Teil des Faust hat sich für Anzinger wieder ein Kreis geschlossen. Nach drei Gedichtbänden sowie der Pöstlingberger Trilogie hat er nun auch drei klassische Epen zu Papier gebracht. Ein weiteres großes Werk habe er jetzt nicht vor. Aber das Schreiben geht weiter. Gedichte, Kurzgeschichten, pointierte Betrachtungen des Lebens. Mit der Dramatisierung des „GRANIDD fausdd“ im vergangenen Jahr auf der Mimusbühne in Waldhausen hat auch das Theater für ihn an Reiz gewonnen. Beim Zipfer Advent wird heuer im Linzer Brucknerhaus ein modernes Hirtenspiel aus seiner Feder aufgeführt.
Buchpräsentation am 25. Oktober, 18.30 Uhr, Pfarrheim Pöstlingberg in Linz, Einführung: Prof. Roland Girtler, Klaus Huber, Musik: D’Mühlviertler Okarinamusi