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Erzählen Sie doch bitte weiter, Herr Ransmayr!

Von Christian Schacherreiter, 05. November 2012, 00:04 Uhr
Erzählen Sie doch bitte weiter, Herr Ransmayr!
Christoph Ransmayr Bild: Weihbold

Christoph Ransmayr liest am Montag (19.30 Uhr) im Linzer Stifterhaus aus seinem neuen Buch „Atlas eines ängstlichen Mannes“.

Da ist einer fort gewesen, er kommt heim und erzählt: „Ich sah eine Walkuh, die in etwa dreißig Meter Wassertiefe schlafend im Blau des Meeresgrundes lag.“ Oder: „Ich sah einen Losverkäufer in einer sonntäglich leeren Straße der chilenischen Pazifikstadt Valparaíso.“ Oder: „Ich sah ein Paar zierlicher Lackschuhe, weiße Mädchenschuhe, im Nest einer mit Seidenpapier ausgeschlagenen offenen Schachtel.“

Die 70 Geschichten in Christoph Ransmayrs neuem Buch „Atlas eines ängstlichen Mannes“ erinnern an die Prosastücke aus alten Novellenkränzen. Einer hat etwas gesehen und erlebt, das er erzählen will, weil es so erstaunlich ist, bedenkenswert oder ergreifend, bestürzend, verwunderlich, lehrreich oder kurios. Anklänge an den Erzählgestus der mündlichen Mitteilung geben Ransmayrs Geschichten erfrischende Ursprünglichkeit. Man „hört“ ihm gerne zu, und wenn eine Geschichte zu Ende ist, wird man ungeduldig: Erzählen Sie doch bitte weiter, Herr Ransmayr.

Und er folgt unserer Einladung gerne, erzählt vom Bootsmann in Laos, in dessen scheinbar einfaches Leben sich die bedrückende Geschichte einer ehemaligen Kriegsregion eingebrannt hat, von einem Luftangriff im bolivianischen Hochland, wo eine scheinbar harmlose Geste für die Wanderer beinahe tödliche Folgen gehabt hätte. Und ebenso meisterhaft wie berührend erzählt Ransmayr von der letzten Lebensstunde eines Stiers in der Arena von Sevilla. Es handelt sich aber nicht immer um erlebnisstarke Geschichten. Manches – zum Beispiel der Besuch des Lenin-Mausoleums in Moskau – fordert zur Reflexion heraus, anderes zum Schmunzeln oder zur Anteilnahme.

Neun Geschichten kommen aus Österreich, in „Abschied“ erzählt der gebürtige Welser vom Sekundentod seines Vaters auf einer Parkbank in Lambach, in „Blut“ vom wilden Adi aus Roitham, einem Siebzehnjährigen, der von einem überforderten Gendarmen erschossen wurde. Diese Erinnerung kommt schon von weit her. Ransmayr war damals Ministrant und erlebte, wie die Mutter des erschossenen Adi in der Sakristei der Pfarrkirche bitterlich weinte. Ransmayrs Geschichten sind nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich weit gestreut, sie kommen aus fünf Jahrzehnten.

Die Frage, ob die lebendig gebliebene Erinnerung zuverlässig sei, beantwortet der Autor in einer Art Vorwort. „Geschichten ereignen sich nicht, Geschichten werden erzählt.“ Keiner der Texte ist reine Fiktion, aber es handelt sich um Literatur, nicht um Berichterstattung. Der Erzähler bearbeitet seinen Gegenstand und bringt ihn in eine Gestalt, die anderes und mehr sagt als Daten und Fakten. Das ist die besondere Qualität, das ist der Mehrwert von Literatur. Wenn es Christoph Ransmayr nicht gäbe, müsste man glatt einen erfinden, der so heißt und den Menschen so wunderbare Geschichten erzählen kann.

Christoph Ransmayr: „Atlas eines ängstlichen Mannes“, S. Fischer, 456 Seiten, 25,70 Euro

OÖN Bewertung:

 

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