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Erstmals in der TV-Geschichte Privatsender vor dem ORF

Von Helmut Atteneder   15.September 2018

Die Steinzeit des heimischen Privatfernsehens begann im europäischen Vergleich zeitverzögert. Sie reicht nur bis ins Jahr 1995 zurück (Deutschland: 1984). Die Werkzeuge der Pioniere der heute österreichweit ausstrahlenden Vollsender waren vergleichsweise schmuddelige Studios, ebensolche Beiträge und eine große Portion Idealismus. Sie bewiesen aber auch Hartnäckigkeit. 2000 lautete das Kräfteverhältnis bei den Marktanteilen in der so genannten "werberelevanten" Zielgruppe der 12- bis 49-Jährigen 48,4 zu 8,3 Prozent für den ORF.

Das Blatt hat sich gewendet. In den ersten acht Monaten 2018 halten die "ProSiebenSat1.Puls4-Gruppe" (mit ATV, ATV 2) sowie Servus TV im Schnitt bei 30 Prozent, der ORF brachte es auf 25,9 Prozent. Puls 4 erreichte im August ebenso wie ATV 4,8 Prozent Marktanteil, Servus TV zwei und ATV 2 in Summe 1,3 Prozent. Puls 4 und ATV profitieren beim Gesamtwert vom Verbund mit ProSieben und Sat1.

Pionier im heimischen Privatfernsehen war Ferdinand Wegscheider, der 1995 Salzburg TV gründete. Der Sender ging 2007 an das Red Bull Media House über und ist dort von Dietrich Mateschitz’ Gnaden abhängig. Am 3. Mai 2016 drehte dieser den Sender kurzfristig zu, weil es Bestrebungen gegeben hatte, einen Betriebsrat einzurichten. Wegscheider ist heute Senderchef und verstört bisweilen mit öffentlich geäußertem rechten Gedankengut – wenig versteckt in seinem "satirischen" wöchentlichen Videoblog.

Harte Zeiten hat ATV hinter sich. Am 6. April 2017 ging der defizitäre Sender (12 Millionen Euro) mit den Programmen ATV und ATV2 in die Puls4-Gruppe über, 54 Stellen wurden abgebaut. "Ich bin zuversichtlich, dass wir 2019 den Break-Even schaffen", sagt Thomas Gruber. Der gebürtige Puchenauer ist bei ATV Geschäftsführer und Programmchef in Personalunion. Quotentechnisch hat sich ATV erholt und liegt mit Puls 4, dort ist die Altmünsterin Stefanie Groiss-Horowitz Senderchefin, gleichauf. Groiss-Horowitz und Gruber haben den Sendern klare Profile verpasst. Selbstproduzierte Formate wie "Bauer sucht Frau", "Trucker Babes" oder "Die Lugners" haben auf ATV vordergründig einen voyeuristischen Ansatz, funktionieren aber beim Publikum. ATV spricht eher ländliches Publikum an, Puls 4 ist urbaner.

Schmäh und Europa League

Bei Formaten wie "Vurschrift is Vurschrift" oder "Bist du deppert" wird ein durchaus ernster Ansatz mit Witz und Charme aufbereitet. Stolz ist man bei Puls 4 auf die Übertragungsrechte an der Fußball-Europa-League (heuer mit Rapid Wien und Salzburg). Im Vorjahr sahen das Halbfinale zwischen Salzburg und Marseille mehr als 900.000 Menschen.

Während man bei Puls 4 und ATV den gesunden Menschenverstand als (Scham-)Grenze des Eigenprogramm-Angebots ansetzt, positioniert sich Servus TV als eine Art Gratis-Bildungsfernsehen. Man mache "Programm für alle Menschen mit Anspruch an Qualität und Niveau". Formate wie "Terra Mater" oder "Sport und Talk im Hangar 7" gehören dazu. Servus TV hält auch die Rechte an der beliebten Motorrad-WM.

Die heimischen Privatsender weiten ihre Eigenformate aus. Auch die Politik kommt nicht mehr an ihnen vorbei. Elefantenrunden oder TV-Duelle sind längst nicht mehr dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorbehalten. ATV-Chef Gruber: "Privatsender haben Relevanz bekommen, das hat auch die Politik verstanden."

 

Sender, neue Formate

Puls 4 (Marktanteil August 4,8 %)
Fußball-Europa-League ab 20. September, „Comedy Grenzgänger“, ab November

ATV (MA August 4,8 %)
„Teenager Bootcamp“ ab 20. September,
„Betrogen“ ab 27. September, „Haiders Erbe – vergöttert, verteufelt, verschuldet“ am 7. Oktober.

ATV2 (MA August 1,3%)
Free-TV-Premiere von „Criminal Minds“ ab 29. September

Servus TV (MA August 2 %)
„Meiberger – Im Kopf des Täters“, eigenproduzierter Krimi mit Fritz Karl ab 6. November
Wissensmagazin „P.M.“ ab 4. Oktober

 

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25. April 2024