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Enttäuschungen, die das Erwachsenwerden pflastern

Von Christian Schacherreiter   01.August 2018

Didi Drobna gehört zu den auffälligen Begabungen in der jungen österreichischen Erzählliteratur. Die 1988 in Bratislava geborene Autorin und Fachfrau für Kommunikation lebt seit 1991 in Wien. Ihre Texte wurden schon mehrfach durch Preise und Stipendien gewürdigt, unter anderem durch den 3. Preis bei der Floriana 2016. Jetzt ist ihr neues Buch erschienen, der Adoleszenz- und Familienroman "Als die Kirche den Fluss überquerte".

Der 20-jährige Ich-Erzähler Daniel, der so wie seine ältere Schwester Laura noch zuhause wohnt, wird unerwartet mit der Trennung seiner Eltern konfrontiert. Dieter, der Vater, hat nach einem gemeinsam verbrachten Urlaub vom Ehe- und Familienleben die Nase voll und zieht aus. Dieter war zwar kein dominanter Vater und Gatte, aber die Lücke, die er hinterlässt, macht schlagartig klar, wie wichtig er für die Stabilität des Familiensystems war. Die Mutter ergeht sich zunächst einmal in selbstschädigender Verbitterung, und Daniel gerät in einen Strudel folgenreicher Verwirrungen.

Geschwisterliebe

Das Nähebedürfnis, das Daniel Laura gegenüber verspürt, überschreitet die Grenzen der Geschwisterliebe. Nach einem irren Eifersuchtsausbruch ihres alkoholisierten Bruders reicht es Laura, sie übersiedelt zum Vater. Laura gerät aber selbst in eine tiefe Krise mit psychosomatischen Folgen – und dann zeigen sich bei der Mutter die ersten Zeichen einer Demenzerkrankung. In knapper Zusammenfassung liest sich der Plot als hochdramatisches, vielleicht sogar etwas reißerisches Konzentrat, die Lektüre hinterlässt diesen Eindruck aber nicht. Das liegt daran, dass Didi Drobna das Handwerk des realistischen Erzählens souverän beherrscht und Gespür für Differenzierungen hat. Vorsichtig dosierte Ironie und stilistische Genauigkeit ohne rhetorische Kraftakte kennzeichnen ihren Stil, und der Profilgebung ihrer Figuren widmet sie viel Können und Aufmerksamkeit.

Das Leid ertragen

Großcousine Miriam, eine Bildhauerin, ist eine kraftvolle, lebenskluge Frauenfigur, die für ihre Familie da ist, wenn es notwendig ist, die sich aber auch abzugrenzen weiß, um nicht selbst in den Sog des privaten Irrsinns zu geraten. Onkel Billy, Mutters Bruder, ist erfrischend in seiner bubenhaften Leichtigkeit. Die Darstellung eines Priesters erscheint ein wenig klischeehaft, aber sonst sind auch die Nebenfiguren überzeugend gestaltet. Das Romanende ist traurig, aber Daniel macht nicht zuletzt dadurch die Erfahrung, dass es eben zum Erwachsenwerden gehört, Leid zu ertragen und Enttäuschungen hinzunehmen.

Didi Drobna: "Als die Kirche den Fluss überquerte", Roman, Piper Verlag, 320 Seiten, 20,60 Euro.

OÖN Bewertung:

 

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28. März 2024