Das Alter ist nichts für Feiglinge
Wunderbares Stück "Blütenträume" mit großartigem Schauspiel-Team in der Linzer VHS.
Nein, Senioren sind sie nicht! Wenn schon Schubladisierung, dann Menschen in der "postberuflichen Lebensphase", wie der pensionierte Schuldirektor Friedrich betont. Sie alle haben Jahrzehnte Leben hinter sich, sind, aus welchen Gründen auch immer, alleinstehend – nein, ungebunden, klingt doch gleich besser, weil freier. Das deutsche Autorenduo Lutz Hübner und Sarah Nemitz hat mit "Blütenträume" ein liebe- und humorvolles Stück über die Generation 60-plus und deren Schrullen, Wünsche, Sehnsüchte geschrieben, die sich ja nicht so sehr von denen 40-Jähriger unterscheiden. Nur das Kennenlernen potenzieller Partner wird schwieriger.
So haben sich eben einige, denn Alter ist nichts für Feiglinge, für einen "Flirtkurs 55+" in der VHS angemeldet. Dementsprechend wird das Stück in der Produktion der Linzer Gruppe theater@work tatsächlich im Veranstaltungssaal der Linzer VHS aufgeführt. Die Besucher sind gleichsam Teilnehmer, sitzen im Kreis, und als der Kursleiter mit Kurs-Modul 1 beginnt, melden sich dafür sieben Freiwillige: eine geschickte Idee.
Überragend dargestellt
"Mach ma mal einen Sesselkreis!" – und das Publikum brüllt vor Lachen! Dürften doch sehr viele schon Seminar- und/oder Kurserfahrung haben. Wie Daniel Feik diesen Kursleiter spielt, das ist schon ganz große Klasse! Überragend dargestellt mit spannungsgeladenem Körpereinsatz, mit dynamischem Fingerschnipsen und ausladend einladenden Gesten, mit Coaching-erlerntem Sprachduktus und jovial-g’schaftigem Tonfall ("Wir duzen uns. Ist das eh okay?"). Wenn die von Isabella Reder in typgerechte Alltagskleidung gewandeten Teilnehmer ihre Lebens- und Liebesgeschichten erzählen – der eine wortreicher, die andere schüchtern –, dann ist das berührend und witzig zugleich.
Das ist natürlich Verdienst dieses großartigen Old-Star-Teams, bestehend aus ehemaligen Landestheater- und Theater-Phönix-Mitgliedern, die den Figuren Tiefgang, Charakter und Nuancierungen geben: Daniel Pascal als eloquenter Macho-Gockel, Alfred Rauch als erdiger Hackler-Typ, Ingrid Höller als fürsorgliche Familienglucke, Helmut Fröhlich als spitzbübischer Träumer, Katharina Bigus als intellektuelle Skeptikerin, Birgit Zamulo als energiegeladene (Wieder-)Auflebende. Jeder und jede von ihnen hat kleine ganz große Momente. Niemand spielt sich in den Vordergrund.
Als Jüngere mit dabei ist Julia, deren Flirtkurs 40+ nicht zustande gekommen ist: Julia Ribbeck als toughe Karrierefrau mit privaten Versagensängsten und Heul-Attacken. Als sie Hildegard Knefs großen Hit "Für mich soll’s rote Rosen regnen" intoniert (am Klavier Herr Pascal: Chapeau!), gibt’s Sonderapplaus. Und laut mitgesungen wird bei "Stahlstadtkinder", dem Song der Linzer Band Willi Warma aus 1981. Kurz vor der Pause gibt es einen kurzen Hänger im ansonsten perfekt austarierten Spiel von Regisseurin Heidelinde Leutgöb, die auch weiß, wie sie uns mitten ins Herz treffen kann, ohne die Tränendrüse anzustechen – und wie sie uns herzhaft lachen lässt, ohne die Darsteller der Lächerlichkeit preiszugeben. Wunderbare zweieinhalb Stunden Theatererleben. Die folgenden Kursabende sind gut gebucht, also schnell anmelden.
Theater: "Blütenträume" von Lutz Hübner und Sarah Nemitz; Premiere am 9.5.; VHS Linz im Wissensturm; weitere Termine bis 22. Juni, Karten: theateratwork.at oder Tel. 0650/720 728 1
OÖN Bewertung: